Diamorphinbehandlung bald auch in Wuppertal – weiter hoher Bedarf und hohe Hürden
Die Hürden für Patient_innen sind allerdings hoch: Sie müssen mindestens 23 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sein. Darüber hinaus müssen mindestens zwei erfolglose Therapien nachgewiesen werden können, darunter zumindest eine Substitutionsbehandlung.
Die Nachfrage nach der Diamorphinbehandlung übersteigt das Angebot bei Weitem
Doch trotz dieser strengen Vorgaben ist der Bedarf an Behandlungsplätzen in den besonders zertifizierten Diamorphinpraxen hoch.
Allein in Berlin kommen nach Schätzung des Suchtmediziners Dr. Thomas Peschel 500 Menschen für diese Form der Therapie infrage. Seine Diamorphin-Ambulanz in Berlin, in der er seit 2014 rund 130 Menschen mit pharmazeutisch hergestellten Heroin behandelt, war lange Zeit die einzige derartige Praxis in Berlin.
Dementsprechend lang ist die Warteliste. Die Berliner Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara hat deshalb die Eröffnung einer zweiten Diamorphin-Praxis ermöglicht: Seit April 2020 können Opiatabhängige nun auch in Berlin-Lichtenberg im Praxiskombinat Neubau eine Diamorphin-Therapie erhalten.
Neben der Originalstoffvergabe bietet die neue, in Kooperation mit dem Berliner Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige eröffnete Ambulanz umfassende medizinische Behandlung, Substitution und psychosoziale Betreuung unter einem Dach.
Am 1. Juli 2020 wurde mit der Wuppertaler Diamorphin-Ambulanz die zwölfte Einrichtung dieser Art bundesweit eröffnet. 200 Menschen können dort von dem erfahrenen Ärzt_innenteam um Dr. Christian Plattner versorgt werden. In seiner Düsseldorfer Praxis führt er bereits seit 2016 Diamorphinbehandlungen durch.
Diamorphinbehandlung: Hürden für Ärzt_innen und Patient_innen abbauen!
Die Neueröffnungen in Berlin und Wuppertal sind ein erfreuliches Signal, dennoch fristet die Diamorphinbehandlung in Deutschland weiterhin ein Schattendasein. Laut dem Bericht zum Substitutionsregister vom Januar 2020 wurden am Stichtag 1. Juli 2019 lediglich 880 Opioidkonsument_innen (1,1 %) mit Diamorphin behandelt.
Dabei stellt die Diamorphinbehandlung für viele Drogengebraucher_innen die passende(re) Behandlung dar, wie Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe, erläutert:
„Wir sehen, dass eine Reihe von Substitutionspatient_innen nicht ausreichend von der herkömmlichen Substitution profitieren. Sie injizieren ihr Medikament, das eigentlich oral genommen werden soll, und konsumieren immer wieder Opioide und andere Substanzen. Hier wäre Diamorphin das Mittel der Wahl. Dies zeigen uns auch die wirklich beeindruckenden Entwicklungen vieler Diamorphin-Patient_innen.“
Der Gemeinsame Bundesausschuss müsse daher die schwierigen Rahmenbedingungen für Diamorphin-Ärzt_innen verbessern, so Schäffer weiter.
„Es gibt keinen medizinischen Grund, warum die Diamorphinbehandlung solch hohe Hürden für Ärzt_innen und Patient_innen aufweist“, erklärt der DAH-Drogenreferent. „Diese Hürden stehen mit der Ablehnung dieses Behandlungsansatzes durch Teile der Politik, aber auch im Hilfesystem und in der Ärzteschaft in Verbindung. Auch hier hilft uns nur ein ideologiefreier Ansatz, der das Wohl der Patient_innen in den Mittelpunkt stellt“, so Schäffer.
(ascho)