Deutsche AIDS-Hilfe zu Gerichtsurteil: HIV lässt sich nicht wegsperren!
Das Oldenburger Landgericht verhängt eine Haftstrafe und Sicherungsverwahrung gegen HIV-positive Frau - ein fatales Signal für die HIV-Prävention.
Das Landgericht Oldenburg hat eine 30-jährige HIV-positive Frau aus Wilhelmshaven zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt und eine fünfjährige Sicherungsverwahrung im Anschluss angeordnet, weil die Sexarbeiterin ungeschützten Sex mit mehreren Kunden hatte. Zu einer HIV-Übertragung war es dabei nicht gekommen.
Dazu erklärt Manuel Izdebski vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH):
„Dieses Urteil ist ein völlig falsches Signal und schadet der HIV-Prävention. Die Verantwortung für den Schutz per Strafrecht allein HIV-Positiven aufzuerlegen, ist und bleibt ein Skandal. Haftstrafen und Sicherungsverwahrung erzeugen eine gefährliche Scheinsicherheit. Jeder muss wissen, dass er bei ungeschütztem Sex das Risiko einer HIV-Infektion eingeht, und selbst für seinen Schutz sorgen. HIV lässt sich nicht wegsperren!“
Erstmals Sicherungsverwahrung angeordnet
Nach Kenntnis der Deutschen AIDS-Hilfe ist dies bundesweit der erste Fall dieser Art, in dem eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die angeklagte Frau war bereits mehrfach wegen ähnlicher „Delikte“ verurteilt worden. Eine tatsächliche HIV-Übertragung wurde nach unserem Kenntnisstand in keinem Fall bekannt.
Im aktuellen Fall teilte das Gericht auf Anfrage mit, die Frau habe ihre HIV-Therapie zur Zeit der zur Verhandlung stehenden „Taten“ unterbrochen gehabt, eine HIV-Übertragung sei somit möglich gewesen.
Jeder Mensch muss selbst Verantwortung übernehmen
In einem früheren Urteil hat das Landgericht Oldenburg der Frau eine „Persönlichkeitsstörung“ und „mehrjährigen Alkoholmissbrauch“ attestiert. Auch vor den sexuellen Begegnungen soll sie in erheblichem Maße Alkohol konsumiert haben.
„Das macht umso deutlicher, dass man selbst für den Schutz vor HIV sorgen muss und sich nicht auf den anderen verlassen darf", sagt DAH-Vorstand Manuel Izdebski. "Vielleicht ist er gerade gar nicht in der Lage, diese Verantwortung zu übernehmen.“
Strafbarkeit der HIV-Übertragung ist schädlich
Die Kriminalisierung der (potenziellen) HIV-Übertragung ist nach Auffassung der Deutschen AIDS-Hilfe in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Die Strafbarkeit geht zudem von falschen Voraussetzungen aus. Dazu Manuel Izdebski:
„Das Täter-Opfer-Schema des Strafrechts ist für einvernehmlichen Sex ohne Kondom völlig unpassend, schließlich gehören immer zwei dazu. Die Voraussetzung, dass einer den anderen schädigen möchte, trifft hier in aller Regel nicht zu. Die Gründe für den Verzicht auf Schutz sind viel komplexer: Zum Beispiel kann es unsagbar schwer sein, die eigene HIV-Infektion zu thematisieren, weil sie mit einem großen Stigma und der Angst vor Zurückweisung verbunden ist.“