Berliner Gynäkologinnen nach Paragraf 219a verurteilt
Zwei Gynäkologinnen hatten auf ihrer Website angegeben, nach einer bestimmten Methode Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Heute wurden sie wegen Verstoßes gegen das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe von insgesamt 4.000 Euro verurteilt.
Es war ein Prozess mit weitreichender Bedeutung. Seit Ende März 2019 gilt der reformierte Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs mit dem Titel „Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft“. Seitdem dürfen Ärzt_innen auf ihren Webseiten zwar darauf hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen jedoch, etwa über Methoden, müssen sie an die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verweisen.
Wie viele Informationen dürfen Arztpraxen bereitstellen?
Die Berliner Gynäkologinnen Bettina Gaber und Verena Weyer geben auf der Website ihrer Gemeinschaftspraxis an: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber.“
Zwei Abtreibungsgegner hatten daraufhin bereits vor der Neuregelung sowohl Bettina Gaber als auch ihre Kollegin, die selbst keine Schwangerschaftsabbrüche durchführt, angezeigt.
Vom Gericht zu klären war die Frage, ob die Angaben zur Methode des Abbruchs – „medikamentös“ und „narkosefrei“ – nach Paragraf 219a bereits als unerlaubte „Werbung“ angesehen werden müssen.
Der Fall wurde heute, begleitet von Protesten, am Berliner Amtsgericht Tiergarten verhandelt. Am frühen Nachmittag erging das Urteil: jeweils 20 Tagessätze zu je 100 Euro, für jede Ärztin sind das 2.000 Euro.
Erster Prozess nach der Neuregelung von Paragraf 219a
Der Prozess gegen die beiden Berliner Gynäkologinnen war der erste nach der gesetzlichen Neuregelung.
Der nach langem Ringen von der Großen Koalition verabschiedete Kompromiss zum sogenannten Werbeverbot wurde von vielen Seiten kritisiert:
Laut dem Bundesverband pro familia trage der reformierte Paragraf weiterhin zur juristischen und gesellschaftlichen Stigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs und von Ärzt_innen bei, die ihn durchführen. Nur eine Streichung des Paragrafen schütze Ärzt_innen vor Kriminalisierung.
Auch der Deutsche Juristinnenbund und der Paritätische Gesamtverband fordern die Abschaffung von Paragraf 219a. Der Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF) kritisiert die Neuregelung als „nicht mehr zeitgemäß“: „Frauen werden weiterhin für zu unmündig gehalten, um mit Informationen auf den Webseiten von ÄrztInnen verantwortlich umzugehen“, heißt es in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf.
Ein breites Bündnis von Frauen- und Gesundheitsorganisationen hatte für heute zur Kundgebung aufgerufen. Vor dem Amtsgericht Tiergarten versammelten sich am Vormittag etwa 300 Menschen, um Solidarität mit den beiden Ärztinnen zu zeigen und gegen die Strafrechtsparagrafen zum Schwangerschaftsabbruch zu protestieren. Es sprachen unter anderem Vertreter_innen vom Bundesverband pro familia, vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, in dem auch die Deutsche Aidshilfe Mitglied ist, vom AKF und von Ärztinnen pro Choice.
Nach dem Urteil erklärte sich der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg bereit, die Strafzahlung in voller Höhe zu übernehmen. Laut taz erklärten die beiden Ärztinnen jedoch, Rechtsmittel einlegen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen zu wollen.
(ascho/cl)
Weitere Informationen:
Interview mit der Ärztin Bettina Gaber auf ZEITonline
„Der Staat im Uterus“, Beitrag auf magazin.hiv
„Ich habe große Erleichterung empfunden“, Interview zum Thema Schwangerschaftsabbruch auf magazin.hiv