Annemarie Madison ist tot
Am 30. Januar 2010 verstarb Annemarie Madison (1927-2010) im Alter von 82 Jahren in San Francisco. Annemarie Madison ist vielen Mitarbeiter/innen in Aidshilfen keine Unbekannte.
Schließlich gehörte Annemarie Madison zu den AIDS-Aktivistinnen der ersten Stunde. Sie hat durch ihr Engagement die HIV-Versorgung in Deutschland ganz maßgeblich mit geprägt.
Die Niederländerin Annemarie Zimmermann hatte nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet. Zusammen mit ihren Ehemann, dem Schriftsteller Louis E. Madison, zog sie 1979 nach San Francisco. Das aufkommende Thema HIV und der gesellschaftliche Umgang damit ("Schwulenpest") empörte sie als im wahrsten Sinne "freie Demokratin" dermaßen, dass sie 1984 begann, sich für Menschen mit Aids zu engagieren. Im Laufe der nächsten 25 Jahre betreute sie fast 250 Menschen mit HIV und engagierte sich vor allem gegen die Ausgrenzung der Infizierten.
In Deutschland wurde sie zuerst über das Buch "San Francisco - Eine Stadt lebt mit Aids" (1986) wahrgenommen. Fortan unterstützte sie den Kompetenztransfer zwischen San Francisco und Deutschland. In der Versorgung von Aids-Patienten wurden damals die Standards von Paul Volberding und Kolleg(inn)en im General Hospital in San Francisco gesetzt. Annemarie war immer an vorderster Front dabei, wenn es darum ging, deutsche Kolleg(inn)en in San Francisco herumzureichen, damit sie von den Erfahrungen der Pioniere der ersten Stunde lernen konnten.
Das Schöneberger Modell im Auguste-Viktoria Krankenhaus in Berlin und das Schwabinger Modell in München haben ganz wesentlich von Annemaries "Vermittlungsagentur für HIV-Professionals" profitiert. So verband sie eine innige Freundschaft mit den "Vätern" beider Modelle, Prof. Dr. Manfred L'age und Dr. Hans Jäger. Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, das ihr 1994 vom Bundespräsidenten verliehen wurde, hatte sie sich im wahrsten Sinne verdient.
Ich selber habe Annemarie 1989 bei einem Besuch in San Francisco kennengelernt. Empfangen wurde ich mit einem komplett ausgearbeitetem Besuchsprogramm bei allen wichtigen HIV-Projekten in San Francisco. Und der Name Annemarie Madison wirkte wir ein Türöffner in den betreffenden Projekten. Ich habe damals ungeheuer von diesem Erfahrungsaustausch für meine Arbeit in der Berliner Aidshilfe profitieren können. Am meisten beeindruckt hat mich aber die herzliche Gastfreundschaft, mit der ich bei Annemarie und Lou empfangen wurde.
Daraus wuchs eine mehr als 20 Jahre bleibende Freundschaft. Viele Begegnungen in San Francisco, Berlin und München, wo das Kuratorium für Immunschwäche noch zu ihren Lebzeiten den "Annemarie-Madison-Preis" für besondere Verdienste in der HIV-Arbeit ausgelobt hatte, der immer anlässlich der Münchner AIDS-Tage verliehen wird.
Anlässlich der Preisverleihung in 2010 hatten wir noch Mitte Januar Kontakt. Annemarie hatte vor, München und Berlin zu besuchen. Auf dem Rückweg von Indien sozusagen, wo sie zu einer Hochzeit eingeladen war. Wie immer war sie voller Pläne. Umso überraschender kommt ihr plötzlicher Tod. Einerseits. Anderseits: Menschen sterben immer so, wie sie gelebt haben. Würde Annemarie sagen! Soll sie das letzte Wort haben.
Karl Lemmen, 02.02.2010