AIDS 2024 - News-Ticker aus München

Vom 21. bis 26. Juli 2024 findet in München die 25. Internationale Aids-Konferenz statt – nach über 30 Jahren erstmals wieder in Deutschland. Hier berichtet die Delegation der Deutschen Aidshilfe vom Konferenzgeschehen, sowohl von der Hauptkonferenz als auch aus dem Global Village. News gibt's außerdem in unserem Instagram-Kanal.

 

26.07.2024, 15 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

(Un)Sichtbar: Drogengebrauchende Frauen

(Foto: Johannes Berger)

In einen Workshop der deutschen Networking Zone standen Frauen, die Drogen konsumieren, im Mittelpunkt und sprachen über die vielen Facetten ihres Lebens – als Frauen, Sexarbeiterinnen, Mütter, Patientinnen, Geflüchtete usw. Nicht nur mangelt es grundsätzlich an Angeboten für drogengebrauchende Frauen, zudem werden ihre vielfältigen Bedürfnisse kaum mitgedacht. Drogenhilfe und -politik wird in Deutschland weitgehend von Männern für Männer gemacht. Selbst bei Einrichtungen für Sexarbeiterinnen werden drogengebrauchende Frauen kaum mitgedacht.

Tetiana Lebed (links), die sich in der Ukraine feministisch engagierte, kostete es selbst als gut vernetzte Aktivistin in Deutschland große Anstrengungen, an eine HIV-Therapie und erst recht an Substitution zu kommen. Alla Bessonova aus Kirgisistan (Mitte) fordert getrennte Drogenkonsumräume insbesondere für Frauen mit Kindern. Ihre Kollegin aus Barcelona (rechts) berichtet, dass es dort bereits ein gutes Angebot für drogengebrauchende trans Frauen gebe, wo Frauen im kleinen Kreisen unter sich sein und echten Support erhalten könnten. Hierzulande fehlen Räume, in denen sich Frauen sicher und willkommen fühlen. Bei der Substitutionstherapie werden etwa Schwangerschaft oder Menopause gar nicht berücksichtigt. Für drogengebrauchende Mütter gibt es vor allem schadensmindernde Angebote, die auf die Eliminierung von HIV ausgerichtet sind.

Mädchen haben statistisch früher Erfahrungen mit Drogen, ergänzt DAH-Referentin Alexandra Gurinova als Moderatorin, aber später tauchen diese Frauen nicht mehr in den Statistiken oder bei den Hilfsangeboten auf. Um diesen „unsichtbaren“ Frauen zu helfen, braucht es Entkriminalisierung und den Abbau von Vorurteilen auf allen gesellschaftlichen Ebenen – Schluss mit dem Schubladendenken!

 

26.07.2024, 14 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Immer mehr Daten zu Begleiterkrankungen

(Foto: Katja Schraml)

Eine gute Nachricht zum Schluss: Mit steigender Lebenserwartung verlängern sich für Menschen mit HIV zwar auch die Jahre, die wir uns mit Komorbiditäten herumschlagen müssen – etwa Diabetes oder Kardiovaskuläre Risiken bzw. Ereignisse (CVD/MACE). Aber je mehr Jahre wir ansammeln, je mehr verschiedene Medikamente wir nehmen, desto mehr Daten stehen zur Verfügung. Die Referent*innen des Panels „Co-Morbidities: The heart of the matter“ berichteten über Ergebnisse sowohl von aktuellen Studien als auch Metaanalysen.

Erfreulich zeigt eine Analyse zum Einfluss von Virämie mit CVD, dass dieser entgegen früherer Annahmen nicht statistisch signifikant zu sein scheint. Untersuchungen zu Dolutegravir in afrikanischen Ländern ergaben keine signifikanten Zusammenhänge mit MACE oder Bluthochdruck, was für die vielen Menschen mit DTG Regime gute Aussichten sind. Ander sieht es für diejenigen aus, die seit Jahrzehnten auf den First-Line-Klassiker Abacavir setzen, für das die Studie Reprieve erneut die Erhöhung von MACE belegt.

Dass solche Ergebnisse nicht nur als Erfolge aufgenommen werden, zeigt die anschließende Diskussion. Dabei wurde die statische Methode der Virämie-Studie mehrfach in Frage gestellt ebenso wie die Finanzierung der Reprieve-Studie sowie die Schlussfolgerung, die Lösung seien neue Medikamente und neue Therapierichtlinie. Mehr als angebracht war das abschließende Gespräch zu Adhärenz: Medikamente entfalten ihre (Neben-)Wirkungen auch nur, wenn sie genommen werden. Damit das geschieht, braucht es nicht nur ein Rezept, sondern auch diagnostische Möglichkeiten, ausgebildetes Personal und diskriminierungssensible Aufklärung.

 

26.07.2024, 13:30 Uhr +++ Text: Dirk Sander

Das Schweigen überwinden

Ein Beispiel für sexpositive HIV-Beratung: M-Pact Global bei der AIDS2024 (Foto: Johannes Berger)

In einem Panel zu sexpositiver HIV/STI-Beratung problematisierte Dr. Camiel Welling (Amsterdam Trans Clinic). dass das Konferenz-Motto „Put People first“ noch mit Inhalt zu füllen sei. Zu oft noch werde eine akademische Sprache verwendet, die von vielen Ratsuchenden nicht verstanden werde. Auch gebe es noch zu wenig transdominante Räume der Versorgung. Die US-Aktivistin Dr. Jennifer Lincoln beklagte, dass aktuell konservative Kräfte weltweit „obsessiv“ versuchten, die Errungenschaften der sexuellen Emanzipation zurückzudrängen. Safe Sex, so würde etwa behauptet, wäre nur in der Ehe möglich. Selbst unter diesen erschwerten Bedingungen sollte weiter versucht werden, Scham und Stigma zielgruppenorientiert in der Kommunikation über Sexualität zu begegnen.

Laut Amanita Calderon-Cifuentes von Transgender Europe könnte in einer sexpositiven Kommunikation auch Geschlechternormen oder Haltungen zur Sexarbeit hinterfragt werden: „Haben Sie jemals ihre Geschlechtsidentität oder sexuelle Ausrichtung hinterfragt? – Haben Sie schon einmal Sex gehabt und dafür irgendwelche Güter erhalten?“ Zur Sexpositivität gehöre auch die Akzeptanz der Tatsache, dass manche Menschen Drogen zur Umsetzung ihrer sexuellen Wünsche einsetzen würden. Die Aktivistin beendete ihren Beitrag mit der Empfehlung einmal eine Gay Sauna aufzusuchen: Hier könne man viel lernen über eine offene sexpositive Umgangsweise.

26.07.2024, 13 Uhr +++ Text: Michael Meier

Zugang zur HIV-Behandlung und -Prävention für alle!

Spitze der Demonstration mit Ulf-Arne Kristal (vorn in der Mitte, Foto: Johannes Berger)

Als Gastgeberstadt der Welt-Aids-Konferenz wurde München gestern auch zum Ort einer Demonstration, zu der wir gemeinsam mit anderen internationalen Netzwerken aufgerufen haben. Zusammen sind wir gegen HIV-Diskriminierung und für einen gerechten Zugang zur HIV-Versorgung weltweit auf die Straße gegangen. „Wir fordern Sie auf, Herr Scholz, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und Ihre Versprechen beim Wort! Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierung und dafür, dass Deutschland seinen Anteil im Rahmen einer fairen Beteiligung und Lastenverteilung übernimmt!“, forderte DAH-Vorstand Ulf Kristal bei der Kundgebung am Maxmonument. „Vergessen wir nicht: Ohne die Unterstützung und das Engagement der Communitys wären Wissenschaft und Forschung noch nicht auf dem Stand, den wir heute erreicht haben. Aber es gibt noch viel zu tun, 95-95-95 als Ziel zur Beendigung von Aids ist in vielen Ländern noch weit entfernt.“

26.07.2024, 12 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Brückenschlag zwischen Forschung und Politik

(Foto: Johannes Berger)

Der letzte Tag der Konferenz beginnt im Plenarsaal mit einem Blick in die Zukunft. Neben einem Ausblick auf die Heilungsforschung standen zwei Themen im Fokus, von denen eines etwas wenig Beachtung fand: Künstliche Intelligenz. Wie kann KI im Gesundheitsbereich nutzbar gemacht werden zum Vorteil aller?

Ricardo B. Leite geht auch auf die Ängste ein, die schnell bei diesem Thema auftauchen: zum einen, dass KI die menschliche Arbeitskraft überflüssig machen würde, und zum anderen, dass wir die Kontrolle über unsere Daten verlieren könnten. Tatsächlich zeichnet sich schon ab, wie KI dem Menschen bei klinischen Diagnosen überlegen ist – was jedoch nur einen geringen Teil unserer Gesundheit ausmacht. Entscheidender sind unsere Gene, die zur Hälfte durch exogene Faktoren wie Umwelt und Verhalten geprägt seien. Der Fokus müsse daher im Gesundheitswesen zurück auf den menschlichen Faktor gelegt werden, so Leite. Aus der Community sind wir alle aufgefordert, uns beim KI-Einsatz mit unseren Bedarfen mitgestaltend einzubringen.

Dass es immer darum geht, wo das Geld hinfließt – ob in die Behandlung von Krankheiten, in deren Prävention, in Interventionen oder Anreize für Gesunderhaltung –, wurde von Gesine Meyer-Rath, der vermutlich ersten Ökonomie-Referentin auf einer Aidskonferenz, ausgeführt. Sie gab einen detaillierten Einblick in die ökonomische Planung von Gesundheitssystemen und erklärte, anhand welcher Faktoren Ergebnisse gemessen werden können. Beim Thema HIV erscheint es unpassend, Begriffe wie Humanes Kapital oder maximales Ergebnis zu verwenden. Der sehr einfühlsame Beitrag, der auch Bezug zur Community aufwies und keine einfache Kostenrechnung aufschloss, stellte eindrücklich dar, was es uns alle kosten würde, wenn wir die 95-95-95-Ziele verfehlen. Am Ende erinnerten die Datentabellen jedoch leider an die Klimakrise: Eigentlich verfügen wir bereits über alles Wissen über die Konsequenzen und die Notwendigkeiten. Wir brauchen nur das Geld. Die Medikamente. Und den politischen Willen.

 

26.07.2024, 10 Uhr +++ Text: Anka Hellauer

HIV-Versorgung für Frauen aller Länder!

WAT-Gesicht Hildegard (links) mit Johanna (rechts) von XXelle (Foto: Johannes Berger)

Frauen mit HIV sind häufig von Diskriminierung betroffen, die Erfahrungen häufen sich besonders, wenn es um Kinderwunsch und Schwangerschaft geht. Ihre Entscheidungen zu Geburt oder Stillen werden häufig nicht ernst genommen. Das Frauen- und Familienzentrum der Aidshilfe Köln widmet sich dem sonst oft stiefväterlich behandelten Thema. Dort finden Frauen kompetente Beratung, die sich nach den Bedürfnissen und Wünschen der Frauen richten. Im Global Village der AIDS 2024 fanden zwei Veranstaltungen mit Xxelle statt, drei Frauen aus der Ukraine, Tadschikistan und Deutschland berichteten von ihren Erfahrungen, nachdem sie sich zum Stillen entschieden hatten. Und Frauen mit HIV gingen in den Austausch, um gegen Diskriminierung in der gynäkologischen Versorgung vorzugehen. Die Antwort aus dem Publikum: Schafft das Patriarchat endlich ab!

 

25.07.2024, 18 Uhr +++ Text: Leon Taubert

PrEP vereinfachen: Wieviel Monitoring ist wirklich nötig?

PrEP ist noch zu wenig Frauen zugänglich - DAH-Referentin Alexandra Gurinova stellt das Thema in der Networking Zone vor (Foto: Johannes Berger)

Die PrEP einfach ohne Arztbesuch über den Ladentisch in der Apotheke? Das klingt (in Deutschland) kaum vorstellbar. Andere Länder machen es vor und erreichen so Menschen, die keinen guten Zugang zum Gesundheitssystem haben.

In vielen Ländern, in denen die PrEP zur Verfügung steht, gibt es Leitlinien, die beschreiben, welche Untersuchungen nötig sind. Standard ist alle drei Monate ein HIV-Test, Untersuchungen der Nierenfunktion und weitere STI-Tests. Doch ist das immer notwendig? Und was tun Ländern, in denen die Menschen große Probleme haben, regelmäßig eine*n Fachärzt*in aufzusuchen? – In Thailand, so berichtetet Nittaya Phanuphak gibt es die Möglichkeit, in der Apotheke einen Schnelltest durchzuführen und nach ärztlicher Online-Konsultation die PrEP zu bekommen. Beschränkt wird sich beim Labor auf das absolut Nötige: den HIV-AK-Test.

In einer Podium mit Sheena McCormack, der Leiterin der Proud Studie, wurde diskutiert, wie Minimalstandards aussehen könnten. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass ein personenzentrierter Ansatz stärker verfolgt werden müsse, bei dem Menschen, die ein dreimonatiges Monitoring möchten, es weiterhin bekommen, es aber die Möglichkeit gibt, die PrEP auch niederschwellig zur Verfügung zu bekommen. Die Guidelines müssen auf jeden Fall flexibler werden, forderte Douglas Krakower, um PrEP-Verschreiber*innen mehr Spielraum zu geben.

Will Nutland von PrEPster (UK) forderte sogar, dass Nutzer*innen die Autonomie über ihren Körper vollständig zugesprochen werden müsse. PrEP-User könnten HIV-Selbsttests selbst durchführen, statt wochenlang auf einen Termin in einer Arztpraxis zu warten. Gleiches gelte bei der Doxy-PEP, bei der er dieselben Fehler wie zuvor bei der HIV-PrEP befürchte. Wenn Ärzt*innen die Verschreibung verweigern, organisierten sich Menschen die DOXY-PEP eben anderweitig – mit der Gefahr einer „Doxy-in-the wild“, bei der Anwendungsschemata nicht eingehalten oder Antibiotika gemischt werden.

Am Ende der Session waren sich alle einig: „Most people can manage their health.“ Es braucht mehr Flexibilität bei der Abgabe der HIV-PrEP, Nutzer*innen müssen mehr Autonomie in der Nutzung der PrEP bekommen und innovative Ansätze z. B. der Telemedizin sollten genutzt werden, damit die PrEP noch mehr Menschen in sinnvoller Weise erreicht.

24.07.2024, 14 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Wo ein Wille ist …

Devon Sok zur Impfstoffforschung (Foto: Katja Schraml)

Neben all den Herausforderungen unserer Communitys tut es gut, sich die Erfolge zu vergegenwärtigen. Große Aufmerksamkeit bekamen auf der AIDS 2024 die HIV-Prep-Studie Purpose-1 mit 100 % Wirksamkeit und der nächste geheilte Berliner Patient. Was haben wir zukünftig aus der Forschung zu erwarten? Auf dem langen Weg zum Ziel, Aids zu beenden, sieht sich die Impfstoffforschung noch etwas im Hintertreffen: Mit der Ausnahme von einer Studie haben die bisherigen Ansätze keine Wirksamkeit gezeigt, trotz ihrer Vielfältigkeit.

Am vielversprechendsten scheint hier die Forschung zu breit neutralisierenden Antikörpern (bnAbs), die auch in einer Session zur Heilung vorgestellt wurden. Zu Beginn der komplexen Vorträge im Bereich der Gentherapie – etwa Heilungsansätze mit der so genannten Genschere – vermittelt der Vertreter der Menschen mit HIV der Community, dass ihre Anwesenheit wichtig ist, nicht alles verstanden werden muss und am Ende Zeit für Fragen ist.

Auf Nachfragen zu fehlenden Follow-Ups von laufenden Studien und zur Weiterfinanzierung verschiedener Vorhaben heißt es, dass langfristige Beobachtungen nicht finanziell abgesichert wären. Schwindende Mittel werden in fast jeder Session angesprochen. So streiten verschiedene Akteur*innen um begrenzte Mittel, wo doch politischer und wirtschaftlicher Wille dafür sorgen sollte, dass Menschen ihr Potential entfalten und sich frei entwickeln können. Oder mit den Worten des neuen Berliner Patienten, der anonym bleiben möchte: „Der Gesunde hat viele Wünsche – der Kranke nur einen.“

24.07.2024, 12 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Entkriminalisierung jetzt!

Michaela Clayton (Foto: Steve Forrest)

Erschütternde Meldungen zu neuen Gesetzgebungen scheinen nicht abzubrechen. In Uganda etwa droht seit letztem Jahr LGBTIQ* die verschärfte Verfolgung bis hin zur Todesstrafe für „schwere Homosexualität“ – zum Beispiel dann, wenn bei der sexuellen Handlung eine tödliche Krankheit übertragen wird (gemeint ist offenbar vor allem HIV). In der Plenar-Session zu strukturellen Hürden gab Michaela Clayton, Anwältin aus Namibia, einen Überblick zur Ausbreitung von Gesetzen zur HIV-Kriminalisierung. Diese muss aufgrund intersektionalem Stigma stets im Zusammenhang mit anderen Gesetzen gegen Sexarbeit, Drogengebrauch oder LGBTIQ* gesehen werden.

Die oft jahrelange, unermüdliche Kraftanstrengung von lokalen Organisationen, um daran etwas zu ändern, wurden im Workshop „Getting decriminalization right“ vorgestellt. Prominentestes Beispiel war das HIV Justice Network, von dem Edwin Bernard aus den Niederlanden berichtete. Das Netzwerk von Wissenschaftler*innen veröffentlichte 2018 ein von IAS und UNAIDS unterstütztes Statement zu U=U, das bereits in vielen Ländern individuelle Verfahren abmildern oder zu deren Einstellung führen konnte.

Dennoch bleibt die Lage für alle marginalisierten Communitys weltweit prekär und bietet wie Armut und Obdachlosigkeit Angriffsflächen für die Verzweiflung. Den Mut nicht zu verlieren, sondern sich zu vernetzen, um Kraft zu schöpfen und gemeinsam für eine Verbesserung zu sorgen – das zieht sich als Aufruf durch die Konferenz. Von selbst ändern sich die Gesetze nicht, betont die neuseeländische Politikerin Helen Clark, es bestehe die Notwendigkeit, sich einzumischen. Ansatzpunkte sind die Aufklärung von Politik und Gesellschaft, die Suche nach Verbündeten in den Institutionen, das Sammeln von Daten zu günstigen Urteilen und das Teilen von Erfahrungen. Dabei geht es auch immer darum, das Narrativ zu ändern: Sexarbeit ist auch Therapie. Oder: Wir haben alle unsere Süchte und Abhängigkeiten – nur sind manche davon (noch) illegal.

Helen Clark (Foto: Steve Forrest)

24.07.2024, 17 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Neue Wundermittel der Prävention

Sharon Lewin (IAS) und Winnie Byanyima (UNAIDS) © Steve Forrest / IAS

Neben dem neuen „Berliner Patienten“ eines der großen der Themen der AIDS 2024: Lenacapavir und die Ergebnisse der PURPOSE-1-Studie. Dieses HIV-Medikament ist bereits zur Behandlung zugelassen (wenn auch bisher nicht auf dem deutschen Markt erhältlich). Als halbjährlich verabreichte Spritze hat es zudem ernormes Potential bei der HIV-Prävention, wie die vorgestellte Studie belegt: 100 % Schutzwirkung bei den Studienteilnehmerinnen (cis Frauen)  – Details dazu in unserer Meldung auf aidshilfe.de.

Die IAS-Präsidentin Sharon Lewin spricht von einem „bahnbrechenden Fortschritt“ und einem „enormen Potenzial für die öffentliche Gesundheit“, und fordert: Wenn Lenacapavir für die HIV-PrEP zugelassen werde, müsse es für alle erschwinglich und zugänglich sein, die es brauchten oder wollten. Und UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima bestätigt: „Wir wollen, dass diese Wundermittel der Prävention alle Menschen erreichen, die sie brauchen.“

 

24.07.2024, 15 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Break the Stigma. Break the Silence

Foto: Tobias Tanzyna

Neben unseren Ständen und Veranstaltungen im Global Village sind wir auch Teil des deutschen Gemeinschaftsstand im Ausstellerbereich. Unter dem Motto "Break the silence, break the stigma.Together we can end AIDS." bieten wir hier ebenfalls ein buntes Programm. Alle Infos dazu findet ihr auf aidshilfe.de/AIDS2024.

An den Wänden des Standes präsentieren wir auf Plakaten die Geschichten unserer Welt-Aids-Tags-Kampagne "Leben mit HIV - anders als du denkst?". Gestern waren gleich vier "WAT-Gesichter" zu Gast: Lillian, Denis, Kristina und Hildegard (von links nach rechts) sprachen mit Holger Wicht (unten) darüber, was ihnen die Beteiligung an der Kampagne persönlich bedeutet und wie sie die Welt-Aids-Konferenz erleben. Kristina brachte die Antidiskriminierungsarbeit auf den Punkt: "HIV in den Köpfen ist wesentlich schwieriger als HIV im Blut."

Foto: Ute Hiller

 

24.07.2024, 14 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Communitys haben die Expertise

Silke Klumb (Foto: Nadin Wildt)

Die Moderation des Symposiums "40 Years of Community Ceadership" begann DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb mit einem ihr überreichten Demo-Schild: "Communities are experts" (Communitys sind die Expert*innen). Was Selbsthilfe vom Grasswurzel-Projekt bis zur globalen Vernetzung auf der Welt-Aids-Konferenz ausmacht, diskutierten mit ihr beispielhaft vier Expert*innen von drei Kontinenten: Veriano Terto Jr. von der Brazilian Interdisciplinary AIDS Association, Mandisa Dukashe vom South African National AIDS Council und Tetiana Deshko von Alliance for Public Health (Ukraine) sowie Ko-Moderatorin Grace Kamau von der African Sex Workers Alliance aus Kenya. Ihnen allen lag am Herzen, erfolgreiche Community-Projekte zu feiern. Gleichzeitig gefährden fast überall erstarkende konservative und rechte Politiken die Erfolge – und die Finanzierung der Arbeit. Selbsthilfe setzt eine demokratische Gesellschaft voraus ("Civil society is key"). Community-Arbeit muss daher an politischen Forderungen festhalten, wie mehrfach betont wurde, Regierungen müssen weiterhin zur Verantwortung gezogen werden. Abschließend ermunterte Mandisa Dukashe: "Habt keine Angst davor, unbeliebt zu sein - denn es geht um eure Community und um niemanden sonst!"

 

24.07.2024, 12 Uhr +++ Text: Mirja Leibnitz

„Shame on Germany“ – HIV Justice Network fordert Aufhebung von § 87

Edwin J. Bernard (Foto: Mirja Leibnitz)

In einem Symposium zu Ungleichheiten, Diskriminierung und Kriminalisierung äußerte Edwin J. Bernard, Direktor des HIV Justice Networks, eindrücklich sein Entsetzen über §87 des deutschen Aufenthaltgesetzes. Der Paragraph verhindert in den meisten Fällen die medizinische Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus, indem er Mitarbeiter*innen des Sozialamtes verpflichtet, bei der Beantragung einer medizinischen Leistung deren Daten an die Ausländerbehörde weiterzugeben – welche dann wiederum die Abschiebung veranlasst. Der Redebeitrag endete mit der Forderung nach einer Aufhebung dieses Paragraphen und einem „Shame on Germany“.

 

23.07.2024, 15 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Leben über Profit

Foto: Eléonore Willems

Immer wieder schallt Protest durch die Messehallen, insbesondere in Richtung des Ausstellerbereichs. Aktivist*innen aus aller Welt fordern, dass alle Menschen Zugang zur HIV-Behandlung und -Prävention bekommen. Vor allem wird eine fairere Preispolitik der Pharmazie-Unternehmen verlangt. "Gileads Gier tötet", ist auf den Bannern zu lesen, "Hebt die Patente auf" oder "Leben über Profite".

Foto: Eléonore Willems

 

23.07.2024, 15 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Gehört werden steigert die Lebensqualität

Foto: Katja Schraml

Wie steht es angesichts der anhaltenden Diskriminierungserfahrungen um die Lebensqualität von Menschen mit HIV aus? Die Session zu gesundheitsbezogener Lebensqualität beschäftigte sich mit sog. PROMS (Patient*innen-berichtete Ergebnismessungen), die als Fragebogen-Tools z. B. im Gesundheitswesen eingesetzt werden.

Im Rollenspiel zeigten zwei Referent*innen die Herausforderung bei einer Routinekontrolle in der Praxis: Alle Blutwerte sind gut, das neue Rezept wird ausgestellt und die Frage nach dem Wohlbefinden, wie überall so oft beantwortet: Gut, okay. – Hier setzen die PROMS an. Es gibt mittlerweile über 100 Fragebögen, die QoL (Quality of Life) bestimmen können, manche davon direkt für den HIV-Bereich entwickelt. Vorm Gespräch ausgefüllt bieten sie beiden Seiten die Gelegenheit, sich mit zusätzlichen Themen auseinanderzusetzen.

Doch: Eine Befragung nützt wenig, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, sich über die Ergebnisse zu unterhalten. Die Durchführung solcher Tests muss also an Peer-Projekte und Gesprächsangebote gekoppelt sein. Im vorgestellten Fall sitzen die Berater*innen nur zwei Türen weiter. In der deutschen Versorgungslandschaft sind solche Kombinationen rar. In HIV-Schwerpunktpraxen pflegen Menschen mit HIV oft persönlichere Kontakte zu ihren Ärzt*innen als in infektiologischen Klinikabteilungen. Dennoch lohnt die Überlegung, wo und wie solche Tools implementiert werden könnten. Denn sie sensibilisieren für soziale oder psychologische Aspekte, die sonst eher untergehen. Oder werden sie angesichts der knappen Ressource Zeit gar ausgelagert?

Am Ende waren die Teilnehmer*innen aufgefordert, das für sie wichtigste Wort der Session zu notieren. Groß leuchtete ein Begriff auf: Listen (Zuhören).

 

23.07.2024, 14 Uhr +++ Text: Klaus Purkart

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Prof. Dr. Johannes R. Bogner, Denis Leutloff, Sibyll Escher, Gregor Papadopoulos (von links nach rechts, Foto: Klaus Purkart)

Im Rahmenprogramm der AIDS 2024 diskutierten gestern im schwul-queeren Zentrum sub ein Münchner Arzt, eine pharmazeutische Forscherin und ein Mitarbeiter der Aidshilfe ihre verschiedenen Sichtweisen auf HIV.

Denis Leutloff von der AIDS-Hilfe Halle schilderte seine Erlebnisse als positiver Aktivist aus Zeiten, als Sex ohne Kondom regelrecht verpönt war. Zwar habe sich vieles gebessert, aber wir seien längst nicht da, wo wir sein könnten. Sein Einsatz gelte vor allem der sexuellen Bildung von Jugendlichen, um Diskriminierung entgegenzuwirken. Sibyll Escher, Direktorin für Medical Affairs Infectious Disease & Immunology bei MSD, stellte vor, wie personalisierte Therapien die Bedarfe der Patient*innen abdecken können. Neben der Forschung an neuen Wirkstoffklassen nehme die Pharma erneut das Thema Heilung in Angriff. Johannes R. Bogner, Leiter der klinischen Infektiologie an der LMU München, betonte, dass bei neuen HIV-Patient*innen Resistenzen so gut wie nicht mehr auftreten, sondern alle 32 verfügbaren Medikamente wirken. Persönlich glaube er fest daran, dass es irgendwann eine Heilung gebe.

Einigkeit gab es darüber, dass eine große Herausforderung aktuell die weltpolitische Gesamtlage, die durch Krisenregionen und Bedrohungen ein globales Networking erschwere. Hierzulande gilt es die Diskriminierung im Gesundheitswesen weiter abzubauen und das Thema HIV schon in der Schule allen zu vermitteln. Ohne große Neuigkeiten war der Abend eine gelungene Bestandsaufnahme – und eine Zusammenfassung von der Konferenz vertretenen Positionen für die Teilnehmenden, die nichts von der Konferenz mitbekommen.

 

23.07.2024, 13 Uhr +++ Text: Dirk Sander

Die emotionale Seite des Begehrens

Foto: Dirk Sander

„Lebe deine Träume: Sexuelle Erfüllung als Kernanspruch der HIV-Arbeit“: So titelte eine Session auf der Aids-Konferenz. Ein hochgestecktes Ziel! Zunächst legte Daphne Cisneros, Psychologin aus der Münchner Aidshilfe, dar, dass in der Beratungsarbeit zumeist eine risikobasierte Perspektive mit dem Fokus auf sexuelle Praktiken raumgreifend sei. Dass Menschen in ihrer Sexualität auch ihre Wünsche nach Lust, Spaß und körperlicher Nähe befriedigen wollten, würde zu wenig berücksichtigt. Ein Beratungsgespräch sollte immer auch diese Perspektive aufgreifen: Bist du denn zufrieden mit deinem Sexleben? Ausgehend davon könnten mit den Ratsuchenden Perspektiven erarbeitet werden. Im anschließenden Gespräch sagte der Porno-Darsteller Hans Berlin, dass er sich seit der Jugend mehr Gespräche über die emotionale Seite der Sexualität gewünscht hätte. Insbesondere schwulen Männern sei diese Seite der Sexualität abgesprochen worden. Auch auf Dating-Plattformen vereinbare man vielleicht einen Blowjob, obwohl man sich viel mehr eine intime Umarmung wünsche – was nach so einer Begegnung zu eine Gefühl von Einsamkeit führen könne. Eine weitere Erkenntnis: Wer seine Bedürfnisse nicht kennt, kann sie nicht artikulieren. Dann ist der Weg zur sexuellen Zufriedenheit oder gar „Erfüllung“ noch weit.

Hans Berlin im DAH-Kurzinterview auf Instagram

 

23.07.2024, 10 Uhr +++ Text: Mirja Leibnitz

WHO für mehr STI-Selbsttests

Cheryl Case Johnson, WHO Schweiz (Foto: Mirja Leibnitz)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt nachdrücklich die Ausweitung von HIV/STI-Selbsttests in den pünktlich zur Welt-Aids-Konferenz erschienenen aktualisierten Leitlinien zu differenzierten HIV-Test-Angeboten (Consolidated guidelines on differentiated HIV testing services). Wenn speichel- oder blutbasierte Tests alternativ existieren, sollte die Testwahl hierbei der Testperson überlassen werden – beide Alternativen seien effektiv. Auch präqualifizierte die WHO den ersten Selbsttest für Hepatitis C (HCV), um den Zugang zu Tests und Diagnosen weltweit zu verbessern.

 

22.07.2024, 21 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Fortschritte für alle zugänglich machen!

Sharon Lewin bei der Eröffnungsrede © Steve Forrest / IAS

Unter dem Motto "Put people first!" wurde die 25. Welt-Aids-Konferenz heute offiziell eröffnet. Den Menschen an erste Stelle zu setzen, bedeute nicht nur, Menschen, die mit HIV leben oder von dessen Auswirkungen betroffen sind, am Fortschritt teilhaben zu lassen, sondern sie als treibende Akteur*innen zu sehen, sagte IAS-Präsidentin Sharon Lewin – ob bei der Gestaltung klinischer Studien oder der Umsetzung neuer Richtlinien und Programme.

Olaf Scholz © Steve Forrest / IAS

Damit wissenschaftliche Fortschritte möglich viele Menschen schnell erreiche, appellierte UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima erneut sowohl an die Wirtschaft – sie forderte den Konzern Gilead auf, Lenacapavir erschwinglich zu machen – als auch an die Politik. Letztere war auf der Eröffnung durch Bundeskanzler Olaf Scholz vertreten, der die Fortsetzung der deutschen Beteiligung am Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zusagte, dabei aber aufällig die Verantwortung anderer Länder betonte.

Jay Malucha © Steve Forrest / IAS

Welch fatale Folgen eine diskriminierende Politik hat, berichtete der Anwalt Jay Mulucha aus Uganda, wo das Anti-Homosexualitätsgesetz zahlreiche Menschen von der Gesundheitsversorgung ausschließe. Ganz besonders hart treffe es hiv-positive trans Personen. Dass er, der zu seiner Sicherheit jeden Schritt genau planen müsse, zur Eröffnung der AIDS 2024 gehört wurde, bewegte nicht nur ihn, sondern wurde auch mit langem Beifall aufgenommen.

Bevor abschließend die Schwuhplattler auftraten, wurde die Moderation aus dem Publikum von einem Protest für internationale Transrechte unterbrochen – eine erwünschte Störung, denn Aktivismus wird hier neben Forschung und Politik als dritte Kraft willkommen geheißen. So freuen wir uns auf weitere produktive Auseinandersetzungen in den kommenden Tagen!

© Steve Forrest / IAS

 

22.07.2024, 14 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Mit den Communitys gegen intersektionales Stigma

Foto: Katja Schraml

Wie die Einbindung von Communitys in den gesamten Forschungsprozess gelingen kann, demonstrierte heute eine Präsentation zum Projekt  „Promoting Reductions in Intersectional StigMa (PRISM)“ des US-Gesundheitsinstitut NIH. HIV-bezogenes Stigma wirkt intersektional auf drei Ebenen: der Gesundheit, durch soziodemografische Faktoren und durch Verhaltensweisen. Hier liegt der Schlüssel, um die UNAIDS Ziele zu erreichen. Denn Diskriminierung wirkt sich auf die Gesundheitsversorgung und damit langfristig auf die Infektionszahlen aus.

Vorgestellt wurden Studien mit ganz verschiedenen Fokusgruppen und Ansätzen, zum Beispiel aus Ghana oder Brasilien, mit trans Frauen, MSM oder medizinischem Personal, in reinen Peer-Gruppen oder im Austausch mit medizinischen Fachleuten. Trotz unterschiedlicher Erfolge war für die Reduzierung von Stigma immer die Einbindung der Community auf allen Ebenen der Forschung entscheidend. Zudem zahlen sich die Adressierung von allen Mitarbeitenden in einer Klinik und ein differenzierter Methodenmix aus. Für die Zukunft liegt es nun an ausreichender Finanzierung, um langfristige Interventionen durchführen zu können.

Am Ende gab es mehr Fragen aus dem Publikum als Zeit für Diskussion – aber immerhin die Einladung, sich mit allen Anliegen anschließend an die Referierenden zu wenden. Denn die Fragen werden uns noch lange nicht ausgehen.

 

22.07.2024, 13 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

„Jetzt ist es an der Zeit, den richtigen Weg zu wählen”

Zum Auftakt der Welt-Aids-Konferenz stellte UNAIDS einen neuen Bericht vor und rief zu verstärkter internationaler Zusammenarbeit auf. Trotz erheblicher Fortschritte bei der HIV-Prävention stiegen die Neuinfektionen in drei Regionen an: im Nahen Osten und Nordafrika, in Osteuropa und Zentralasien sowie in Lateinamerika. „Das Nachlassen der Solidarität sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder stellt ein Risiko für den Fortschritt dar", warnte UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima nachdrücklich. „Trotzdem gibt es einen erprobten Weg, die AIDS-Epidemie zu beenden, einen Weg, den führende Politiker bereits zugesagt haben zu verfolgen.” Nun sei es eine politische und finanzielle Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, die Versprechen zur Beendigung von AIDS einzuhalten.

Auch Anthony Fauci, ehemaliger wissenschaftlicher Berater des US-Präsidenten, betont: „Ein Scheitern ist hier keine Option. Es ist in der Tat undenkbar. Wenn wir alle zusammenarbeiten, werden wir unser gemeinsames Ziel erreichen.“

Mehr zum UNAIDS-Bericht auf aidshilfe.de.

 

22.07.2024, 10 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Heilungs- und Impfstoffforschung: Eine Frage der Kommunikation

Alpengipfel mit Symbolwert: „Gran Paradiso“ von Stephan Huber vorm Messegelände (Foto: Katja Schraml)

Die Forschungen zu Impfstoffen und zur Heilung sind neben der Therapie zwei Hauptansätze bei der Frage, wie die HIV-Epidemie beendet werden könnte. Zu beiden Themen gab es an den Tagen der Vor-Konferenzen einen eigenen Strang von Diskussionen. Und in beiden beschäftigte man sich auch mit der Kommunikation mit Community – schließlich ist allen klar, dass man dieses Ziel nur gemeinsam erreichen kann. Die Herausforderung dabei ist allerdings der Aufbau von Vertrauen. Es geht nicht nur darum, alle erforderlichen Informationen zu liefern, sondern auch in einer Sprache, die verständlich ist.

Beim Thema Impfen war eine der Erkenntnisse, dass gar nicht all die Broschüren, die man verteilt hatte, gelesen wurden. Also wurde zum Beispiel ein Video produziert, das tatsächlich sehr gut angenommen wurde.

In Sachen Heilung wurde von Journalist*innen die Rolle der Medien thematisiert und darauf hingewiesen, dass oft zu Beginn einer Story nicht alle Informationen zur Verfügung stehen. Bei der Dichte der News ist es jedoch nicht hilfreich, wenn der Rest an Hintergrundinformationen erst nachträglich geliefert wird.

Dabei geht es nicht nur die Verbreitung von Informationen zu jedem Zeitpunkt der Forschung. Grundlegend ist die Einbindung von Menschen mit HIV auf allen Ebenen des Prozesses und das Beachten ihrer Bedürfnisse und Erwartungen. Und sie haben Fragen. Dafür ist es nicht hilfreich, wenn die Mikrofone für das Publikum am Ende abgeschaltet und die Leute auf ihre Plätze zurückgeschickt werden oder erst gar keine Fragen zugelassen sind. Wenn es keine Fragen gehört werden, gibt es auch keine Antworten.

Was wir brauchen ist eine vollständige Partizipation, umfassende, vertrauensvolle Aufklärung über Risiken und Nutzen. Wir sind nicht nur Patient*innen, Studienteilnehmer*innen, Populationen. Wir sind Menschen, Personen, Persönlichkeiten. Wir sind keine Nummer, sondern tragen Namen. Und wenn es Zeit dauert und der Slot am Ende ausläuft, braucht es vielleicht etwas mehr Empathie und eine Aussicht darauf, wann und wo Zeit und Ort sind, das, was uns beschäftigt, anzusprechen. Aber noch ist Zeit: Die Konferenz fängt ja gerade erst an…

 

21.07.2024, 19 Uhr +++ Text: Nadin Wildt

Be our guest!

Foto: Michael Meier

Ganz im Sinne des Mottos "Put People First!" eröffnete noch einen Tag vor der Hauptkonferenz heute das Global Village. Dieser Bereich der Welt-Aids-Konferenz ist kostenlos, für alle zugänglich und bietet Networking-Zonen für verschiedene Communitys. An den Ständen stellen sich vor allem Nicht-Regierungs-Organisationen aus der ganzen Welt vor. Dazu gibt es ein buntes Programm mit jeder Menge Raum zum Austauschen und Mitmachen. Die Deutsche Aidshilfe ist gleich in mehreren Bereichen mit zahlreichen Kolleg*innen sowie Community-Mitgliedern aktiv und hat auch einen eigenen kleinen Stand - hier im Bild mit der Fachreferentin für "Leben mit HIV" Heike Gronski (2. v. l.), Geschäftsführerin Silke Klumb (r.) und dem fast vollständig vertretenen Vorstand mit Ulf Kristal, Stefan Miller, Sylvia Urban, Winfried Holz (v.l.n.r). Gleich um die Ecke ist auch die German Networking Zone (unten ein Bild der heutigen Eröffnung). Kommt gern vorbei und seid unser Gast!

 

21.07.2024, 15 Uhr +++ Text: Katja Schraml

Wakakosha! #ZeroHIVStigmaDay

Workshop Zero HIV Stigma Day: Podium mit Präsentation "Sing even if you are a terrible singer, sing - Laugh, make others laugh with you"

Der zweite Tag der Pre-Conference ist auch der Zero-HIV-Stigma-Day. Dahinter steckt „eine Bewegung, die Menschen, Communitys und Länder zusammenbringt, um das Bewusstsein für die HIV-Stigmatisierung zu schärfen und Wege aufzuzeigen, wie man sie beenden kann“. Deshalb beginnt die Living-Preconference of the Global Network of People living with HIV (GNP+), mit einer Hommage an die Menschen, die laut und stolz ihre Meinung sagen, so wie es Prudence Mabele getan hat, „die erste schwarze Südafrikanerin, die ihren HIV-Status öffentlich gemacht hat“. Sei mutig, sprich deine Wahrheit, singe – auch wenn du eine furchtbare Sängerin bist – und lache und bringe andere zum Lachen: Das sind die Lektionen, die wir von Prudence gelernt haben und die nach einem bewegenden Rückblick auf unsere gemeinsame Geschichte präsentiert wurden.

Was dieser Mut heute bedeutet, zeigte sich in einem Workshop von Beyond Stigma. Ein kreativer Mix aus mentalen und emotionalen Methoden bot die Möglichkeit, die negativen Gedanken und Gefühle zu bekämpfen, die in uns entstehen, wenn wir mit Diskriminierung und Ablehnung konfrontiert werden.

Die jungen Referent*innen, die uns durch die Interventionen führten, sind der Spiegel einer sichtbaren und einfühlsamen Zukunft. Denn sie haben den Mut, sich mit all ihrer Verletztlichkeit zu zeigen, die der Kern unserer Resilienz und Stärke ist. Es war eine wunderbare Erfahrung, unsere Gedanken zu teilen und uns unserer Verbundenheit bewusst zu werden, indem wir Teil einer kollektiven Bewegung wurden: „Wakakosha! You are worth it!

 

19.07.2024, 11 Uhr +++ Text: Holger Wicht

Todesfall wegen geschlossen

Drogenkonsumraum "Hier könnten Leben gerettet und Infektionen verhindert werden."

Heute haben wir in der Fraunhofer Straße in München Bayerns ersten Drogenkonsumraum offiziell "nicht eröffnet". Nur durch die Schaufensterscheibe ist ein voll funktionsfähriger Konsumplatz zu sehen, einschließlich lebensrettender Medikamente, einer Sauerstoffflasche und steriler Konsumutensilien. Die Tür des Pop-up-Drogenkonsumraums bleibt jedoch verschlossen. Denn in Bayern ist dieses hoch wirksame Mittel der Prävention nicht erlaubt.

Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle und HIV-Infektionen bei Drogen injizierenden Menschen steigt seit Jahren. Drogenkonsumräume retten Leben und verhindern Infektionen mit HIV und Hepatitis. Sie verlagern den Konsum aus der Öffentlichkeit in einen geschützten Rahmen. Die WHO empfiehlt diese Angebote. Die Stadt München will Drogenkonsumräume einrichten. Doch die bayerische Landesregierung verweigert, wie einige andere Bundesländer, die erforderliche Rechtsverordnung. Die Gastgeberstadt der Welt-Aids-Konferenz muss daher, wie alle Städte in Bayern, auf dieses wissenschaftlich anerkannte Mittel der Prävention verzichten.

Die Deutsche Aidshilfe hat mit zahlreichen kooperierenden Organisationen diesen symbolischen Drogenkonsumraum errichtet. „Dies ist eine künstlerische Aktion, um zu verdeutlichen: Drogenkonsumräume sind keine Kunst. Drogenkonsumräume sind machbar, sie sind erprobt, und sie sind notwendig. Ob Leben gerettet und Infektionen verhindert werden oder nicht, ist eine politische Entscheidung. Bayern entscheidet sich immer noch und jeden Tag wieder dagegen“, so DAH-Vorstandsmitglied Stefan Miller in seiner Nicht-Eröffnungsrede.

Weitere Infos zur Aktion gibt’s auf aidshilfe.de/lebenretten.