Ärzte ohne Grenzen dringt auf mehr Engagement in West- und Zentralafrika
Laut Ärzte ohne Grenzen bekommen nur 24 % der HIV-Positiven in West- und Zentralafrika eine antiretrovirale Therapie (ART). Nach Schätzungen sind damit in dieser Region rund fünf Millionen Menschen nicht in Behandlung.
Dies erklärte die Organisation in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Bericht „Out of Focus“ (auf Deutsch: „Außerhalb des Fokus“).
Darin heißt es unter anderem, dass die HIV-Prävalenz in West- und Zentralafrika mit 2,3 % zwar als niedrig gelte, diese aber dennoch dreimal höher als die weltweit gemessene Prävalenzrate (0,8 %) sei. 21 % aller weltweit erfassten HIV-Neuinfektionen sowie 27 % aller Todesfälle infolge von HIV/Aids würden in dieser Region gezählt. Zudem kämen 45 % aller mit HIV geborenen Kinder in Ländern West- oder Zentralafrikas zur Welt. Zurückzuführen sei das auf die viel zu geringe Versorgung mit HIV-Medikamenten.
Viele HIV-Patient_innen suchten die Krankenhäuser mit einer weit fortgeschrittenen Infektion auf, so der Bericht weiter: „Was wir heute in unseren Projekten in West- und Zentralafrika sehen, erinnert mich an Südfarika im Jahr 1999, als wir dort die ersten ART-Programme aufgebaut haben“, beschreibt Dr. Eric Goemere, HIV-Referent von Ärzte ohne Grenzen, die Situation. „Zu viele der Patienten in unseren Projekten in der Republik Kongo, in Guinea und der Zentralafrikanischen Republik zeigen weit fortgeschrittene Aids-Stadien, die in Südafrika seit Mitte der 2000er-Jahre relativ selten geworden sind. Das Vorkommen von Kryptokokken-Meningitis, disseminierter Tuberkulose und Kaposi-Sarkomen bleibt alarmierend hoch.“
Nach Meinung der Organisation werde dem Thema HIV in dieser Region nicht genügend Bedeutung beigemessen, was dazu führe, dass HIV-Infizierte einen regelrechten Hindernisparcours zu durchlaufen hätten, um an eine Behandlung zu kommen. Hohe Barrieren seien hierbei unter anderem die Stigmatisierung von HIV-Positiven, fehlende Bestände von HIV-Tests und -Medikamenten sowie eine Gesundheitsversorgung, die nicht nur überlastet sei, sondern auch für die Menschen unerschwinglich und von unzureichender Qualität.
Hinzu komme, dass sich die internationalen Bemühungen gegen die HIV/Aids-Epidemie vor allem auf die „HIV-Hotspots in Subsahara-Afrika“ konzentrierten und Länder mit geringeren Prävalenzraten zu wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung bekämen. „Die anhaltende Vernachlässigung dieser Region ist ein tragischer, strategischer Fehler“, sagte Dr. Eric Goemaere in einer Pressemitteilung. „Wenn man das Virus unbeachtet in West- und Zentralafrika seine tödliche Arbeit machen lässt, gefährdet es das Ziel, HIV und Aids weltweit einzudämmen.“
Aus diesem Grund ruft Ärzte ohne Grenzen Organisationen, internationale Behörden und Regierungen dazu auf, ihren Fokus auch auf die Länder West- und Zentralafrikas zu richten und einen Plan zu entwickeln, um die Versorgung mit HIV-Medikamenten dort schnellstmöglich sicherzustellen. In ihrem Bericht führt die Organisation zudem eine ganze Reihe von Empfehlungen an, was getan werden kann, um die Situation in dieser Region zu verbessern.
(Christina Laußmann)
Quelle:
Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen vom 20.4.2016
„Out of Focus“-Bericht von Ärzte ohne Grenzen (PDF)