„100.000 Substituierte bis 2022“

Kaum die Hälfte der in Deutschland lebenden Opioidabhängigen erhält derzeit eine Substitutionsbehandlung. In vielen anderen europäischen Ländern ist die Situation weitaus besser. Mit einer gemeinsamen Kampagne wollen die Deutsche Aidshilfe, der akzept Bundesverband und das Selbsthilfenetzwerk JES dazu ermutigen und auffordern, die entsprechenden Angebote zu stärken und auszubauen.

Gemeinsam mit bestehenden Drogenhilfeeinrichtungen, Kommunen und der Ärzteschaft – aber auch mit der Unterstützung der Politik – soll ein klar formuliertes Ziel erreicht werden. „100.000 Substituierte bis 2022“, so das Motto der Kampagne.

Damit würde 20.000 Patient_innen mehr als bislang und rund 60 Prozent der Opioidabhängigen in Deutschland ermöglicht werden, ihre Gesundheit und ihr Leben besser zu schützen sowie sich einen strukturierten Alltag zu schaffen.

Todesfälle infolge von Drogenkonsum sind vermeidbar

Der 31. August als Kampagnenstart fällt nicht zufällig auch auf den International Drug Overdose Awareness Day, an dem internationale Organisationen alljährlich auf Opioid-Überdosierungen und die damit verbundenen, vermeidbaren Todesfälle hinweisen.

Die Chancen, das gesetzte Kampagnenziel tatsächlich auch zu erreichen, liegen nach Ansicht der Initiator_innen derzeit außerordentlich gut. Weil durch die Corona-Pandemie für viele Opioidabhängige die benötigten Substanzen schwerer zu beschaffen und zu finanzieren sind, hat sich dadurch die Bereitschaft für eine Substitutionstherapie deutlich erhöht.

Zugleich haben sich aber auch die ärztlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Behandlung mit Ersatzstoffen verbessert. So wurde durch Veränderungen in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtmVV) die eigenverantwortliche Einnahme („Take home“) erleichtert. Und weil Beikonsum nicht mehr sanktioniert wird, kann er angstfrei in der Behandlung thematisiert werden. „Ziel der Kampagne ist daher auch, diese neuen Möglichkeiten noch stärker in der Praxis zur Anwendung zu bringen“, sagt Prof. Heino Stöver, Vorsitzender des akzept Bundesverbandes.

Entlastete Praxen, Ressourcen für mehr Patient_innen

Durch die Vergaben des Substituts in Apotheken, durch telemedizinische Betreuung und Depotpräparte könnte das Arbeitsaufkommen der behandelnden Praxen reduziert und die freigewordenen Ressourcen für neue Suchtpatient_innen genutzt werden, ohne dass dadurch die Betreuung der Einzelnen vernachlässigt werden müsste. „Diese Veränderungen gilt es nun politisch zu ermöglichen und in der Praxis zu etablieren“, betont Dirk Schäffer, DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug.

Mit verschiedenen Medien und Veranstaltungen soll im Laufe der Kampagne der Wissensstand unter Abhängigen wie auch bei den in der Suchtmedizin Beschäftigen erhöht sowie neue Behandler_innen für die Substitution gewonnen werden.

Unterstützung aus Medizin, NGOs und Politik gefordert

Die Initiator_innen der bis 31. Dezember 2021 laufenden Kampagne erhoffen sich dabei Unterstützung aus der Medizin und von anderen nicht staatlichen Organisationen und Dachgesellschaften aus der Aids- und Drogenarbeit.

Doch auch staatliche Politik ist gefordert: Ganz konkret wurde die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig eingeladen mitzuhelfen, das Kampagnenziel „100.000 Substituierte bis 2022“ zu erreichen.

(ascho)

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