Bewegte Zeiten
Liebe Leser*innen,
in den letzten Wochen hat sich einiges getan, wobei die schlechten Nachrichten leider überwiegen. Doch beginnen wir mit den positiven Entwicklungen:
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die Deklaration #positivarbeiten gezeichnet und sich damit mit ihren rund 113.000 Beschäftigten zur diskriminierungsfreien Inklusion von Menschen mit HIV bekannt. Weil die Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit „Teil der DNA“ der Behörde ist, wie deren Vorstandsmitglied Katrin Krömer erklärte, will die BA mit ihrem Diversity-Management ein Arbeitsumfeld gestalten, das alle Beschäftigte in ihrer Vielfalt schätzt und gleiche Chancen für alle bietet.
Zuletzt hatte sich die sächsische Landesregierung der Deklaration angeschlossen, zu der sich nun rund 200 Unternehmen, Verbände, Städte, Ministerien und Betriebe verpflichtet haben.
Zweieinhalb Jahre lang haben RKI und DAH zur sexuellen Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys geforscht. Das Projekt liefert zum ersten Mal handfeste Daten zur Situation in Deutschland und hat mit seinen Methoden das geleistet, wofür partizipative Forschung steht: die Beteiligung der Communitys von der Konzeption über die Durchführung bis zur Auswertung. Dabei war es den gemeinsam Forschenden immer wichtig, nicht nur das Erkenntnisinteresse zu verfolgen, sondern den Teilnehmenden auch etwas zurückzugeben. Die Fokusgruppenwochenenden enthielten daher auch Fortbildungselemente und boten zudem den Raum für Vernetzung und Empowerment. Die Ergebnisse führen uns nun Schwarz auf Weiß die Missstände vor Augen: Ignoranz und Diskriminierung im Gesundheitswesen, sexualisierte Gewalt und tiefgehende Vulnerabilität. Wenn ein Mensch sagt, „[…] dass ich zum Beispiel nicht darauf bestehe, ein Kondom zu verwenden aus diesem Gefühl heraus, mein Körper an sich ist schon Umstand für die andere Person. Also quasi, die andere Person muss sich ja schon mit meinem trans Körper irgendwie zufriedengeben […]“, wissen wir, dass wir noch sehr viel zu tun haben und die Empfehlungen, die sich aus dem Projekt ergeben, sehr ernst nehmen müssen. Wir wollen als Aidshilfe sichere und diskriminierungsarme Räume für trans und nicht-binäre Menschen bieten, die Expertise der Communitys als Fachkompetenz anerkennen und ihre Strukturen stärken!
Eindeutig negativ setzt sich der Trend der drogenbedingten Todesfälle fort: 1990 Menschen sind im letzten Jahr an den Folgen des Konsums gestorben – noch einmal neun Prozent mehr als 2021 und doppelt so viele viel 2012. Auf Bundesebene gibt es zwar ein Umdenken und den Willen zu Veränderung, aber weil für Drogenpolitik und Suchthilfe vor allem die Länder und Kommunen zuständig sind, können wir an dieser Stelle nur einmal mehr wiederholen: Wir brauchen mehr Konsumräume, wir brauchen Drugchecking, eine Ausweitung der Naloxon-Verschreibung und einen regulierten Zugang zu qualitätsgeprüften Substanzen für Drogen gebrauchende Menschen. Der Bund ist gefordert, die Verantwortlichen der Länder und Kommunen an einen Tisch zu holen und mit Fachleuten und der Selbsthilfe endlich Schritte in dieser Richtung einzuleiten.
In Uganda spitzt sich die Lage für homosexuelle Menschen zu: Dort hat das Parlament Anfang Mai ein Gesetz verabschiedet, durch das die „Beteiligung an homosexuellen Handlungen“ mit lebenslanger Haft und „Fälle von besonders schwerer Homosexualität“ sogar mit dem Tod bestraft werden kann. Das Gesetz liegt zurzeit beim Präsidenten, der es unterzeichnen oder sein Veto einlegen kann. Die Deutsche Aidshilfe gehört zu den Erstunterzeichner*innen eines Offenen Briefs, der die Bundesregierung auffordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Gesetz zu verhindern, queere Organisationen vor Ort zu unterstützen und unbürokratisch humanitäre Visa an besonders gefährdete Menschen aus Uganda zu vergeben. Die Petition läuft weiter; hier ist die Solidarität von uns allen gefragt.
Und wir blicken auf einen sehr emotionalen Moment in den letzten Wochen zurück: Anfang Mai haben wir Peter Stuhlmüller in den Ruhestand verabschiedet. Ganz persönlich habe ich das Geschäft von der Pieke auf von ihm gelernt – schon lange bevor wir seit 2010 die DAH 13 Jahre gemeinsam führen durften. In all unserer Unterschiedlichkeit waren wir ein tolles Team – dafür sage ich 1000 Dank!
Jetzt wünschen wir ihm eine neue Lebensqualität ganz ohne Krawatte und Jahresendzeitstress – und wir hoffen, dass wir dem ABBA-Titel „I Still Have Faith in You“, mit dem er seine 35 Jahre in der DAH beschreiben würde, weiter gerecht werden.
Herzliche Grüße,
Silke Klumb