„Der Weg ist angefangen, aber die Strecke ist noch lang“

Zum 25-jährigen Bestehen der AIDS-Hilfe Wolfsburg zieht der Ehrenvorsitzende Alfred Lux eine zwiespältige Bilanz.

Wenn ein Verein in einer Stadt, die 2013 erst ihren 75. Gründungstag begeht, sein 25-jähriges Jubiläum feiern kann, hat er schon eine vergleichsweise lange Geschichte hinter sich. Die Rede ist von Wolfsburg, das unter dem Namen „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ für die Arbeiter des späteren Volkswagenwerks aufgebaut wurde. Bei Wikipedia ist nachzulesen, welchen Einfluss das Werk mit seinen heute 50.000 Beschäftigten auf die Stadt hat: Von August bis Oktober 2003 führte sie auf ihren Ortsschildern den Namen Golfsburg. Die Medien berichten sonst eher im Wirtschafts- und Sportteil über Wolfsburg – der Fußball-Erstligist hat schließlich 2009 den Meistertitel errungen. Vor zwei Jahren schaffte die Stadt es auch auf die „Aus-aller-Welt“-Seiten: Damals hatte der ICE auf dem Weg nach Berlin oder München den vorgesehenen Halt gleich dreimal ausgelassen.

Ähnlich wie der ICE scheint es die schwule Szene zu halten: Sie rauscht einfach weiter ins 30 Kilometer entfernte Braunschweig oder gleich nach Hannover, das mit dem Auto in einer guten Stunde zu erreichen ist. In Wolfsburg hat sie sich nie wirklich etabliert. Deshalb waren es auch keine schwulen Männer, die die AIDS-Hilfe 1988 gründeten, sondern eine Gruppe engagierter Krankenschwestern und Sozialpädagogen, die der Macht- und Hilflosigkeit in den ersten Jahren Aufklärung, Beratung und Begleitung entgegensetzen wollten.

Schon früh dazugestoßen ist der Psychologe Alfred Lux. Damals ging es gemäß einem entsprechenden Erlass des Kultusministeriums darum, Schulen durch Fortbildungen für das Thema HIV und Aids zu sensibilisieren und fit zu machen. Ein Unterfangen, das auf wenig Offenheit stieß: „Die meisten Schulleiter haben das über sich ergehen lassen und vor allem überlegt, in welches Fach sie den Stoff packen können. Diskussionen sind nur in kleineren Kreisen entstanden, bei den Menschen, die ohnehin eine Antenne dafür haben, welche Ängste mit einer solchen Krankheit verbunden sein können. Es hat dann auch nur an den wenigsten Schulen einen festen Ansprechpartner für Fragen zu HIV und Aids gegeben.“

Insgesamt fällt die Bilanz des heutigen Ehrenvorsitzenden nach 25 Jahren zwiespältig aus: „Wir haben es noch nicht erreicht, dass Menschen mit HIV nicht stigmatisiert werden. Da ist der Weg angefangen, aber die Strecke ist noch lang.“ In Wolfsburg bestehe die Klientel nicht wie bei vielen anderen Aidshilfen überwiegend aus schwulen Männern, sondern aus Migranten und Jugendlichen, denen es sehr wichtig sei, nicht erkannt zu werden. „Seitdem wir in neue Räume umgezogen sind, haben einige Betroffene, die sonst immer gekommen sind, Angst davor, gesehen zu werden.“ Deshalb sei es ein wichtiges Signal für die Region gewesen, dass die „Positiven Begegnungen“, die größte Selbsthilfekonferenz zum Leben mit HIV in Europa, im letzten Jahr in Wolfsburg stattfanden und die Teilnehmer bei einer Demonstration in der Fußgängerzone selbstbewusst ihr Gesicht zeigten.

Auf der anderen Seite erfahre die Aidshilfe große Anerkennung und Unterstützung – gerade auch von der Belegschaft und dem Management des Volkswagenkonzerns, das zum Beispiel ein Auto gesponsert habe, um die weiten Fahrten zum Schwerpunktarzt in Braunschweig oder Hannover zu bewältigen. Umgekehrt ist die Aidshilfe auf der jährlichen Betriebsversammlung immer mit einem Info-Stand präsent.

Als die Herausforderung für die Zukunft sieht es Alfred Lux, das Team der 15 Ehrenamtler deutlich zu vergrößern und vor allem mehr junge Leute für ein freiwilliges Engagement zu gewinnen – Marion Bonas und  Angela Bliese, die auf den 1,3 hauptamtlichen Personalstellen rund 50 Klienten in einem großen Einzugsgebiet begleiten und versorgen, können jede Unterstützung auf der langen Strecke gebrauchen.

(af/hs)

 

Weitere Informationen

aidshilfe.de-Berichterstattung zu den „Positiven Begegnungen“ in Wolfsburg

life+ Magazin zu den „Positiven Begegnungen“ in Wolfsburg (PDF-Datei)