Die Skandale von heute

Der Bluterskandal ist Geschichte. Doch noch immer wird in Deutschland Menschen das Menschenrecht auf Gesundheit vorenthalten. Ein Kommentar von Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe

„Blutgeld“ nimmt uns mit in eine Zeit des Schreckens: Die große Angst vor Aids. Die Ungewissheit, wie das Virus übertragen wird.

Schnell wurde deutlich: HIV ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Nicht nur das Virus bedrohte die Menschen, sondern auch Ausgrenzung und Diskriminierung.

Die Betroffenen mussten sich – eine tödliche Bedrohung vor Augen – Gehör verschaffen und ihre Rechte einfordern. Es ist beschämend, wie lange manche Verantwortlichen weggehört und abgewiegelt haben. Und es ist höchst erfreulich, dass sich die Gesellschaft insgesamt entschieden hat, der Epidemie mit Solidarität und Aufklärung zu begegnen statt mit Ausgrenzung und Repression.

Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel. Die Studie „positive stimmen“ der Deutschen AIDS-Hilfe zeigt: Diskriminierung gehört für die meisten Menschen mit HIV immer noch zum Alltag. Ausgrenzung und Benachteiligung drohen beim Arztbesuch ebenso wie am Arbeitsplatz oder in der Familie. Der Grund dafür sind oft irrationale Ängste und falsche Vorstellungen vom Leben mit HIV.

Und noch immer sind Menschen von wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor HIV und Hepatitis ausgeschlossen, Menschen die kaum eine Lobby haben:

  • In 10 von 16 Bundesländern gibt es keine Drogenkonsumräume, obwohl diese nachweislich Leben retten.
  • Häftlinge erhalten oft keine Substitutionstherapien – in Freiheit die Standardtherapie bei Heroinabhängigkeit. Und es gibt in deutschen Haftanstalten keine sterilen Spritzen, wie es außerhalb von Gefängnissen Standard ist.

Mit anderen Worten: Das Menschenrecht auf Gesundheit wird in Deutschland noch immer Menschen vorenthalten. Für manche ist das lebensgefährlich. Dieser Skandal geschieht heute und wird in der Öffentlichkeit kaum thematisiert.

Das Leben mit HIV hat sich in den letzten Jahren verändert. Medikamente ermöglichen HIV-Positiven nach heutigem Wissensstand eine fast normale Lebenserwartung und – bei allen Einschränkungen – auch einen fast normalen Alltag.

Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die größte Herausforderung besteht darin, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen zu beenden.

 

Weitere Infos:

Blutgeld, 28.10.2013, 20.15 Uhr, ZDF

Filmbesprechung "Blutgeld": Allianz des Schweigens

Online-Petition: Saubere Spritzen für Gefangene