Norwegische Regierungskommission bekräftigt Kriminalisierung der HIV-Übertragung

Die Mehrheit eines zwölfköpfigen Rechtsausschusses der norwegischen Regierung spricht sich für die Strafbarkeit der HIV-Übertragung aus, will aber Ausnahmen zulassen.

In Fällen, in denen eine HIV-positive Person sich in „tadelnswerter Weise“ verhalte und damit die Übertragung des Virus riskiere, seien strafrechtliche Sanktionen richtig und vernünftig, heißt es in dem am Mittwoch vorgelegten Bericht der Regierungskommission.

Zurückhaltung fordert das Gremium von den Strafverfolgungsbehörden dagegen bei Mutter-Kind-Übertragungen, bei Infektionen durch gemeinsam benuztes Spritzbesteck beim Drogenkonsum oder in der Sexarbeit.

Der Kommissionsbericht weist HIV-Positiven grundsätzlich besondere Verantwortung zu, mögliche HIV-Übertragungen zu verhindern: „Eine infizierte Person, die ihren HIV-Status kennt und zur Infektionsverhütung beraten wurde, sollte sich veranlasst sehen, angemessene Maßnahmen zur Infektionsvermeidung zu ergreifen.“

Die Kriminalisierung der (potenziellen) HIV-Übertragung erfolgt in Norwegen über ein Gesetz gegen die Verbreitung ansteckender Krankheiten.

Nach Auffassung der Kommission soll der Schutz des Partners oder der Partnerin durch Kondome dazu führen, dass keine Straftat vorliegt. Ob der oder die HIV-Positive wirklich infektiös ist - was bei gut funktionierenden HIV-Therapien in der Regel nicht der Fall ist - soll hingegen keine Rolle spielen.

Allerdings spricht sich die Kommission dafür aus, dass die (potenzielle) HIV-Übertragung dann nicht strafbar sein soll, wenn der Partner oder die Partnerin ausdrücklich in das Risiko eingewilligt hat. Hierfür soll aber ein professioneller Zeuge aus dem Gesundheitswesen nötig sein; es sollen also zum Beispiel Absprachen von Paaren in Gegenwart des behandelnden Arztes ermöglicht werden.

Die Empfehlungen der Kommission sind für den Gesetzgeber nicht bindend, haben aber hohes Gewicht.

Die Deutsche AIDS-Hilfe spricht sich in ihrem Positionspapier "Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!" gegen die Strafbarkeit der (potenziellen) HIV-Übertragung aus, unter anderem weil diese die Verbreitung von HIV nicht reduziert sondern fördert.

(sho/howi)

Diese Meldung wurde am 22.10. korrigiert und erweitert.

Weiterführende Informationen: Zusammenfassung des Berichts der norwegischen Regierungskommission (Englisch)

Ausführlicher Bericht auf aidsmap.com (Englisch)

Videobericht mit dem Norweger Louis Gay, der wegen einmaligem Oralverkehr angeklagt wurde und dabei seinen HIV-Status offengelegt hatte