LGBTIQ*-Orten droht der Lockdown-Knockout
Deutsche Aidshilfe zum IDAHOBIT: Queere Menschen mitdenken und stärken, Schutzräume schützen und erhalten. Nötig sind Finanzhilfen und Beteiligung.
LGBTIQ* sind von der Covid19-Pandemie in besonderer Weise belastet. Zum einen wurden ihre Lebensweisen in Corona-Verordnungen oft nicht berücksichtigt. Zum anderen sind viele Orte queeren Lebens wie Clubs, Cafés, Bars und Saunen nun schon so lange geschlossen, dass die Betreiber*innen fürchten, nie wieder öffnen zu können.
Auf diese Gefahr weist die Deutsche Aidshilfe anlässlich des heutigen Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit (IDAHOBIT) hin und fordert die Verantwortlichen in der Politik auf, Lebensräume von LGBTIQ* zu erhalten und zu schützen.
Verluste könnten verheerend sein
„Einrichtungen queerer Infrastruktur sind viel mehr als nur gastronomische Orte. Als Schutzräume sind sie systemrelevant für die Communitys. Diskriminierte Minderheiten finden dort Sicherheit und gestalten ihr soziales und kulturelles Leben. Außerdem findet dort Präventionsarbeit statt. Deswegen müssen geeignete Finanzhilfen das Fortbestehen dieser Orte sichern“, sagt Ulf Kristal, Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH).
Schon seit dem Frühjahr letzten Jahres sind viele Szeneeinrichtungen nun in der Zwangspause, auch Hilfs- und Beratungsangebote sind nur eingeschränkt verfügbar. Mittlerweile drohen über Jahrzehnte gewachsene Institutionen und Strukturen dauerhaft zerstört zu werden; einige haben schon die Segel streichen müssen. Die Folgen für LGBTIQ* könnten verheerend sein:
„Hier drohen Lebensorte und Sicherheitsnetze dauerhaft wegzubrechen. Wir werden uns noch lange nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch mit psychosozialen Folgen der Corona-Politik auseinandersetzen müssen. Zu befürchten ist eine dauerhafte Zusatzbelastung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten – Long Covid in einem ganz anderen Sinne“, erklärt Ulf Kristal.
Queere Sexualität verdient Respekt
Nicht zuletzt sind die genannten Orte für viele Menschen auch wesentlicher Bestandteil ihres Sexuallebens. Die Schließung hat viele vor gravierende Probleme gestellt, während die Corona-Verordnungen meist ganz selbstverständlich von festen Partnerschaften und Familien in gemeinsamen Haushalten ausgingen.
„Die Corona-Krise hat noch einmal gezeigt, was als normal gilt und was als verzichtbar oder weniger schützenswert betrachtet wird. Dieser Effekt darf sich auf keinen Fall verstetigen. Es gilt jetzt, Solidarität zu zeigen mit all jenen, die durch diese Pandemie besonders belastet sind. Dazu gehören auch LGBTIQ* mit ihrer ganzen Vielfalt von Lebensformen“, betont Ulf Kristal.
Betrieb sichern und klar regeln
Viele Betreiber*innen von queeren Szeneorten kritisieren schon länger hohe Hürden und unzureichende Finanzhilfen. Diese können meist nur für Fixkosten eingesetzt werden und reichen nicht zum Überleben, zudem klagen Betreiber*innen teils über stark verzögerte Auszahlungen. Viele Betriebe werden durch Kredite, die sie zu ihrer Rettung aufgenommen haben, dauerhaft überlastet sein – insbesondere, wenn sie ohnehin äußerst knapp kalkulieren mussten.
Erforderlich sind daher faire Entschädigungszahlungen für die Zeit der Schließung, die eine sichere Wiederaufnahme und Fortsetzung des Betriebes gewährleisten.
Außerdem braucht es klare Regelungen für die Zeit nach der Pandemie: Viele Betreiber*innen haben nach dem ersten Lockdown Hygienekonzepte erarbeitet, waren aber mit unklaren und uneinheitlichen Vorgaben konfrontiert. Insbesondere Orte sexueller Begegnungen – etwa Bars, Saunen und Lokale mit Darkrooms – wurden von den Ordnungsämtern der Städte sehr unterschiedlich behandelt.
„Diese Betriebsarten müssen in den jeweiligen Landesverordnungen explizit benannt werden, damit kein Platz mehr für willkürliche Auslegungen bleibt. Sexualität, die an diesen Orten stattfindet, darf dabei nicht als weniger wertvoll oder verzichtbar betrachtet werden“, betont DAH-Vorstand Ulf Kristal.
Queerfeindlichkeit entgegentreten
Immer wieder klagten Betreiber*innen seit Beginn der Pandemie auch über homophobe Bemerkungen durch Mitarbeiter*innen von Behörden. Auch deswegen ist es von zentraler Bedeutung, dass Politiker*innen und Verantwortliche in der Verwaltung sich aktiv gegen strukturelle Queerfeindlichkeit einsetzen, indem sie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt schützen und unterstützen.
DAH-Vorstand Ulf Kristal: „Für die Schlussphase der Pandemie brauchen wir runde Tische, an denen Vertreter*innen der Communitys Feedback an die Politik und Behörden geben können. In Mannheim gibt es so etwas bereits. Es ist Zeit, auch die Einschnitte, die die Epidemie uns abverlangt, mit mehr Bürger*innenbeteiligung zu gestalten. Für Minderheiten ist das besonders wichtig.“
Informationen und Veranstaltungen:
Unter dem Motto „#WirFürQueer - Für mehr queere Solidarität“ finden heute um 14 und 22 Uhr zwei Onlineveranstaltungen zum Thema statt. Beide Livestream-Events werden in Kooperation mit der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU der Deutschen Aidshilfe produziert und live gestreamt auf der Facebook-Seite von ICH WEISS WAS ICH TU.