Bundesregierung verließ Pompidou-Gruppe – ohne Wissen des Bundestags

Im März 2011 beschloss die Bundesregierung den Austritt aus der ältesten EU-Institution der internationalen Drogenpolitik. Der Bundestag wurde erst über ein Jahr später darüber informiert.

Der Bundestag sei im „Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011“ unterrichtet worden, so die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom 30. Juli 2012.

In diesem Tätigkeitsbericht vom 4. Juni 2012 wird in einem einzigen Satz darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft in der Pompidou-Gruppe mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 gekündigt wurde. Im Drogen- und Suchtbericht 2012 der Drogenbeauftragten wurde überhaupt nicht darüber informiert. Dies sei „versehentlich unterblieben“, heißt es in der Antwort weiter.

Deutschland gehörte neben Frankreich, Belgien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Großbritannien zu den Gründungsmitgliedern der „Kooperationsgruppe zur Bekämpfung von Drogenmissbrauch und unerlaubtem Drogenhandel“, die 1971 auf Initiative des damaligen französischen Präsidenten George Pompidou gegründet wurde. Sie wurde 1981 in den Europarat integriert und setzt sich für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Drogenpolitik ein. Derzeit gehören ihr 37 Mitgliedstaaten an.

Die Bundesregierung begründet ihren Austritt damit, dass Gremien der Vereinten Nationen und der (erweiterten) EU „die Erfordernisse in der internationalen Kooperation zur Drogenbekämpfung besser und umfassender“ erfüllen. Außerdem müsse man angesichts knapper werdender Ressourcen darauf achten, „Doppelarbeit zu vermeiden“.

„Wir bedauern es sehr, dass Deutschland diese renommierte Arbeitsgruppe verlassen hat“, sagt Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe. „Deutschland als Vorbild für lebensweltnahe HIV-Prävention und für Schadensminderung beim Drogenkonsum kann seine Rolle als Impulsgeberin nicht mehr wie bisher wahrnehmen. Und wo es auch bei uns noch viel Nachhofbedarf gibt, beispielsweise bei der Spritzenvergabe oder Suchtbehandlung in Haft, nehmen wir nicht mehr an der europäischen Diskussion hierüber teil. Das ist kontraproduktiv.“

(ch)

Meldung taz.de vom 10. August 2012 

Tätigkeitsbericht der Bundesregierung vom 4. Juni 2012

Weitere Informationen zur Pompidougruppe siehe Beitrag von Peter Wiessner im dah_blog