Baden-Württemberg: Bildungsplan entfacht Diskussion um Akzeptanz sexueller Vielfalt

Pläne der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, das Thema „sexuelle Vielfalt“ stärker im Unterricht zu verankern, sorgen für heftige Diskussionen weit über das Bundesland hinaus.

In einem auf den Seiten des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg veröffentlichten Arbeitspapier zur Bildungsplanreform 2015/2016 heißt es unter anderem: „Die Kinder und Jugendlichen müssen in der Lage sein, ihre eigenen Wertvorstellungen und Haltungen zu reflektieren und weiterzuentwickeln, Probleme und Konflikte friedlich zu lösen bzw. auszuhalten, aber auch Empathie für andere entwickeln zu können und sich selbst bezüglich des eigenen Denkens und Fühlens zu artikulieren und – wenn nötig – auch zu relativieren. Das macht es auch erforderlich, die Perspektiven anderer Personen und Kulturen übernehmen zu können, Differenzen zwischen Geschlechtern, sexuellen Identitäten und sexuellen Orientierungen wahrzunehmen und sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen zu können.“

Ende November 2013 startete der Realschullehrer Gabriel Stängle daraufhin die Online-Petition „Zukunft – Lernen – Verantwortung: Kein Bildungsplan unter der Idelogie des Regenbogens“, die inzwischen von mehr als 115.000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet unterzeichnet wurde. Er fordert darin unter anderem „den sofortigen Stopp einer propagierenden neuen Sexualmoral“ und „die Orientierung an den Werten unseres Grundgesetzes, das den Schutz von Ehe und Familie als demokratische Errungenschaft verteidigt“. In der Begründung kritisiert er, die negativen Folgen des „Lebensstils“ von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*- und Inter*-Menschen (LSBTI) „wie die höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen, die erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen, die auffällig hohe HIV-Infektionsrate bei homosexuellen Männern ..., die deutlich geringere Lebenserwartung homo- und bisexueller Männer [und] das ausgeprägte Risiko psychischer Erkrankungen bei homosexuell lebenden Frauen und Männern“ würden ausgeblendet. Außerdem würden Rechte für diese LSBTI abgeleitet, die es laut Grundgesetz nicht gebe.

Unterstützung erhielten die Kritiker der baden-württembergischen Pläne auch von kirchlicher Seite: Die Bildungsreferenten der zwei evangelischen Landeskirchen und der zwei katholischen Diözesen forderten in einer gemeinsamen Mitteilung, dass in der Bildung jede Form der Instrumentalisierung, Ideologisierung und Indoktrination unterbunden werden müsse. Dies gelte „nicht zuletzt im sensiblen Bereich der sexuellen Identität und damit verbundener persönlicher und familiärer Lebensentwürfe“.

Als Reaktion auf den hohen Zuspruch für die Petition wurde am 7. Januar 2014 eine erste Gegenpetition veröffentlicht, die mittlerweile mehr als 58.000 Unterstützer fand; hinzu kam die direkt an den baden-württembergischen Kultusminister Andreas Stoch und den Landtag gerichtete „Petition Vielfalt gewinnt“ mit bereits über 86.000 Unterzeichnern. Auch die Gesellschaft für Sexualpädagogik e.V. (gsp) stellte sich in einem Offenen Brief an Kultusminister Stoch hinter dessen Pläne. Die gsp begrüße die im Bildungsplan genannten Ziele, „weil sie der aktuellen Forschungslage Rechnung tragen und dazu geeignet sind, Unwissen und Vorurteile zu beseitigen.“ Auf diese Weise könnten gegenseitiges Verständnis sowie Toleranz und Akzeptanz unter den Jugendlichen wachsen und auch langfristig Veränderungsprozesse in der Gesellschaft angestoßen werden.

(sho/hs)

 

Quellen/weitere Informationen

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Informationen zur Bildungsplanreform 2015

Bildungsplanreform 2015/2016: Arbeitspapier für die Hand der Bildungsplankommissionen als Grundlage und Orientierung zur Verankerung der Leitprinzipien (PDF-Datei; Stand: 18.11.2013)

Online-Petition „Zukunft – Lernen – Verantwortung: Kein Bildungsplan unter der Idelogie des Regenbogens“

Stellungnahme des Kultusministeriums zu dieser Petition

Gegenpetition zu „Kein Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens“

„Petition Vielfalt gewinnt

Offener Brief der Gesellschaft für Sexualpädagogik an Kultusminister Stoch