Anders als üblich

Ungewöhnlich ging es auf der Bühne im Heilbronner Komödienhaus zu, wo die AIDS-Hilfe Unterland e.V. am 18. Mai ihr 25-jähriges Bestehen feierte: Die Künstlerin Hilde Kappes zog in ihrer Gesangs-Performance Abflussrohre, Wasserflaschen und Tonnen als Instrumente heran. Der Einladung waren rund 100 Gäste – darunter auch langjährige Wegbegleiter und Politiker von der regionalen bis zur Bundesebene – gefolgt. Der nächste Höhepunkt im Jubiläumsjahr wird die Ausstellung „Lust auf Leben“ sein, die vom 26. Juni bis 24. Juli in der Kunstetage K55 gezeigt wird.

Mehr als ungewöhnlich waren auch die Anfänge der AIDS-Hilfe in Heilbronn, die im Oktober 1986 quasi von Amts wegen gegründet wurde. Andernorts fanden schwule Männer zusammen und bauten die Aidshilfen als einen Ort zur Abwehr der durch die „Schwulenseuche“ zu befürchtenden Bedrohungen auf. Die schwulen Männer in der 120.000-Einwohner-Stadt, in der es heute gerade noch eine Gay-Kneipe gibt, orientierten sich schon immer eher nach Mannheim oder Stuttgart. Dafür war die Junkie-Szene umso größer, der kein angemessenes Unterstützungssystem gegenüberstand und die auch nicht selbst in der Lage war, sich Hilfe gegen die neue Krankheit zu organisieren.

In dieser Situation ergriff der damalige Leiter des staatlichen Gesundheitsamts die Initiative, und so kam es zur Gründung einer Aidshilfe, zu deren ersten Mitgliedern die AOK, pro familia, die Drogenhilfe und immerhin auch der Verein Homosexuelle Emanzipation Heilbronn zählte. „Das war schon ziemlich schräg“, erinnert sich Gründungsmitglied Martina Grön, die in den ersten Jahren praktisch im Auftrag des Gesundheitsamts im Vorstand saß. Als Vertreterin der Aidshilfe, aber während ihrer Arbeitszeit im Gesundheitsamt ist sie dann sehr bald gemeinsam mit einem AOK-Mitarbeiter auf Präventionstour durch die Schulen gegangen. Im Rückblick betrachtet sie diese Arbeit eher als eine Kampagne gegen Ausgrenzung und Schuldzuweisungen, die die Randgruppen gerade in einer konservativ geprägten Stadt schnell treffen können. „Und es war schon auch eine Leistung, dass die öffentliche Seite da so in die Bresche gesprungen ist.“

25 Jahre später besteht das Team der AIDS-Hilfe Unterland aus vier hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten Anlaufstelle für rund 150 Menschen mit HIV sind. Im Vordergrund steht deren Existenzsicherung bei einem Leben mit geringer Rente oder ALG II – und zunehmend die Begleitung in schwierigen Krankheitsphasen: „In der letzten Woche waren vier Klienten gleichzeitig im Krankenhaus“, berichtet Stefan Kertzscher, der für Beratung, Geschäftsführung und soziale Sicherung zuständig ist.

Für die Zukunft würde er sich eine bessere medizinische Versorgung wünschen: „Der Arzt in der Ambulanz des Klinikums ist zwar fachlich und menschlich klasse, aber er hat nur an zwei Tagen in der Woche Sprechzeiten. Wenn es sich nicht gerade um einen Notfall handelt, bekommt man immer erst in fünf bis sechs Monaten einen Termin.“ Da ansonsten nur ein niedergelassener Arzt eine Substitutionsbehandlung anbietet, bleibt den Patienten häufig nur der weite Weg nach Mannheim, Heidelberg oder Stuttgart.