25 Jahre Lübecker AIDS-Hilfe: Viele Wünsche für die Zukunft

Mitte der achtziger Jahre steckten immer mehr Aidshilfen ihr Fähnchen auf die Deutschlandkarte, und Ende September 1986 war es auch in der Stadt Thomas Manns so weit: Auf Initiative einer Sozialarbeiterin des Gesundheitsamtes entsteht in Zusammenarbeit mit der Homosexuellen Initiative Lübeck und der Anonymen Drogenberatung die Lübecker AIDS-Hilfe (LAH). Die Vereinsarbeit startet in den Privatwohnungen der zwölf Gründungsmitglieder.

Heute gibt es in der Hansestadt das „Netzwerk AIDS Lübeck“, in dem die von der DRK-Schwesternschaft getragene AIDS-Pflege, das Gesundheitsamt und die Aidshilfe zusammengeschlossen sind; daneben existiert ein Trägerverein für Wohnprojekte für Menschen mit HIV und Aids. In der Festschrift zum Jubiläum gratulieren die Bäckerinnung und diverse Handwerksbetriebe, und die LAH dankt Vertretern der Stadt und der Landesregierung für die große Unterstützung. Ist also alles gut in Lübeck, was HIV und Aids angeht?

Dörte Nittka, seit zehn Jahren Mitglied im LAH-Vorstand, erinnert daran, dass es immer noch Zahnärzte gibt, die HIV-Positiven grundsätzlich den letzten Termin am Abend geben, damit Räume und Instrumente hinterher gereinigt werden können und andere Patienten nicht mit ihnen in Berührung kommen müssen. Auch heute fällt es nicht jedem Ratsuchenden leicht, über die Schwelle der Aidshilfe zu treten: Das Haus in einer schmalen Altstadtgasse ist von allen Seiten gut einsehbar, und ein Besuch dort ist eben nicht so selbstverständlich wie beim Frisör. Deshalb sucht der Verein dringend neue Räume mit einem anonymen Zugang.

Wenn Dörte Nittka auch stolz ist auf das, was die kleine Aidshilfe mit 2,5 Personalstellen und rund 20 ehrenamtlich Tätigen in den letzten Jahren erreicht hat, ist ihr Wunschzettel für die Zukunft doch umfassend. An oberster Stelle steht eine dauerhafte Absicherung der Arbeit vor allem durch das Land als dem größten Zuwendungsgeber, die mit der Umstellung der Förderung auf Leistungsvereinbarungen praktisch weggefallen ist. Seitdem ist auch der Verwaltungsaufwand für Dokumentation und Controlling enorm gestiegen – wertvolle Arbeitszeit, die in der Beratung, Betreuung und Prävention fehlt.

Zum Stichwort Prävention hat Dörte Nittka zwei dringende Anliegen: Zum einen will sie, dass die Aufklärung über HIV in allen achten Schulklassen Standard und Teil des Lehrplans wird, und für Jugendliche und junge Erwachsene mit mangelnder Schul- oder Berufsausbildung fordert sie einen Streetworker, „der diese jungen Menschen dort abholt, wo sie stehen“. Zum anderen bereitet ihr die Entwicklung in der Schwulenszene Sorgen, die sich vom „richtigen“ ins virtuelle Leben verlagert hat: „In Lübeck gibt es gerade noch eine Schwulenkneipe, ansonsten werden Kontakte fast nur noch im Internet geknüpft, und die Menschen können von einer Beratungsstelle kaum noch erreicht werden.“ Die LAH hat darauf reagiert und versucht, Präventionsbotschaften über GayRomeo an den schwulen Mann zu bringen. Bleibt der Wunsch, dass der sich auch wieder mehr in die Gestaltung der Arbeit einbringt und Verantwortung übernimmt – der Vorstand der LAH ist mit drei Frauen besetzt.

Und noch etwas würde Dörte Nittka gerne ändern: dass die Übertragung von HIV ein Straftatbestand ist und den HIV-Positiven die alleinige Verantwortung für eine Infektion zugeschoben wird. Nach der Feier am vergangenen Freitag wird es bei der LAH deshalb im Rahmen des Jubiläumsprogramms am 26. Oktober ernst: Dann werden sich Expertinnen und Experten in einer Podiumsdiskussion mit der Frage auseinandersetzen, ob die Kriminalisierung von Menschen mit HIV wirklich eine geeignete Präventionsmethode ist.

 

(af)