„Strukturelle Prävention“ – was genau ist das?

„Strukturelle Prävention“ wird oft anders aufgefasst, als die klugen Köpfe hinter dem Konzept es verstanden wissen wollten. Ein neuer Band der Reihe DAH-Forum erläutert anhand aktueller Beispiele das Konzept einer Prävention, die Einzelne und Gruppen handlungsfähig machen will.

20 Jahre ist es her, dass Hans Peter Hauschild – 1990 in den Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) gewählt – den Begriff „Strukturelle Prävention“ prägte. Hintergrund waren die heftigen Auseinandersetzungen um die HIV-Prävention und -Politik Ende der 1980er Jahre.

Die erste Lehre, die Hauschild daraus zog: Das Verhalten kann nicht von den Verhältnissen getrennt werden. In anderen Worten: Was ein Mensch für seine Gesundheit und die Gesundheit anderer tun will und kann, hängt von seinem Lebensumfeld und von der Gesellschaft ab. Diskriminierung und Ausgrenzung behindern gesundheitsbewusstes Verhalten.

Das Konzept setzte sich durch: 1995 erklärte die DAH-Mitgliederversammlung die Strukturelle Prävention zur Arbeitsgrundlage der DAH. Gut drei Jahre später erschien ein erstes Buch zum Thema: zu den Vorbildern, Einflüssen und Merkmalen des Konzepts sowie zur Praxis und Theorie der Aidshilfe-Arbeit.

Jetzt knüpft ein neuer Band daran an: „Strukturelle Prävention und Gesundheitsförderung im Kontext von HIV“ (AIDS-FORUM DAH Band 57) erscheint in diesen Tagen. Die darin gesammelten Beiträge zeigen, wie sich der HIV-Präventionsdiskurs seither entwickelt hat, und gehen der Frage nach, welche Zukunft das Konzept hat.

Zugleich veranschaulichen sie, wie die Theorie heute in die Praxis umgesetzt wird, so etwa am Beispiel der Tierpension "Hotel für alle Felle". Dieses Projekt der AIDS-Hilfe Bielefeld bildet langzeitarbeitlose Drogengebraucher mit HIV oder anderen chronischen Erkrankungen in der Tierpflege aus. Deutlich wird dabei auch: Wer diskriminierte Menschen beruflich und sozial integrieren will, muss oft gegen Vorurteile oder sogar den erbitterten Widerstand der Mitwelt ankämpfen.

Ein anderes Beispiel ist das „Gentlemen-Projekt“ von Karo e.V., das in der Prostitutionsszene an der deutsch-tschechischen Grenze angesiedelt ist. Hier werden männliche Sextouristen über Zwangsprostitution, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Kindern aufgeklärt. Man will sie motivieren, in Bordellen eine „Wächterrolle“ zu übernehmen, um so zur Verbesserung der Situation von Prostituierten beizutragen.

Der Band macht deutlich: Strukturelle Prävention ist ein effektives und vielfältig umsetzbares Konzept. Es schafft einen Rahmen, der zum verantwortlichen Umgang mit Gesundheit motiviert.     

(Christine Höpfner) 

Jochen Drewes, Holger Sweers (Hg.): "Strukturelle Prävention und Gesundheitsförderung im Kontext von HIV"

Der Band kann in Kürze im Shop der DAH kostenlos bestellt werden und ist auch als PDF-Datei verfügbar.