Konsumräume retten Leben

Nach Eröffnung des ersten Drogenkonsumraums Nordamerikas im kanadischen Vancouver (British Columbia), sind die Drogentodesfälle im Stadtzentrum um 35 Prozent zurückgegangen.

Eine am 18. April 2011 veröffentlichte Studie der Universität und des „Kompetenzzentrum für HIV/Aids“ von British Columbia belegt den Einfluss des Konsumraums auf die Zahl der Todesfälle durch Überdosierung. Es handelt sich um die weltweit erste Studie dieser Art. Die Forscher verglichen fast 300 Berichte zu Drogentodesfällen, die das gerichtsmedizinische Institut von British Columbia vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 dokumentiert hatte.

In der unmittelbaren Umgebung des 2003 eröffneten Konsumraums „Insite“ nahmen die Drogentodesfälle mit 35 Prozent besonders stark ab, im übrigen Stadtgebiet dagegen nur um 9 Prozent. Im Untersuchungszeitraum habe es keinerlei Hinweise auf bedeutende Änderungen im Drogenangebot oder bei der Stoffreinheit gegeben, so das Forscherteam. Bei „Insite“ selbst ist es seit Bestehen des Angebots zu keinem einzigen Todesfall gekommen.

Die Studie liefere den ersten eindeutigen Beleg, „dass Einrichtungen wie ,Insite' Leben retten können und eine wesentlich Rolle bei der Minderung gesundheitlicher Schäden spielen, die mit dem Konsum illegalisierter Drogen zusammenhängen“, so Dr. Julio Montaner vom kanadischen Forscherteam.

Bei „Insite“ handelt es sich um ein Pilotprojekt mit zwölf Injektionsplätzen. Es befindet sich in einem Viertel, in dem es rund 5.000 Drogengebraucher gibt, die sich den „Stoff“ spritzen. Das voll ausgelastete Personal beaufsichtigt pro Tag durchschnittlich 500 Injektionen. Wollte man die Zahl der Drogentoten noch stärker reduzieren, müsste man die Einrichtung ausbauen, heißt es im Forschungsbericht.

Der kanadische Konsumraum funktioniert ähnlich wie die Konsumräume in Deutschland und anderen europäischen Ländern: Man kann dort mitgebrachte Drogen unter Aufsicht geschulter Mitarbeiter konsumieren. Anwesend sind außerdem Berater, die den Nutzern Unterstützung anbieten und sie bei Interesse an Behandlungsangebote verweisen.

Die wissenschaftliche Auswertung des Pilotprojekts hatte bereits nachgewiesen, dass Projekte wie „Insite“ das HIV-Risikoverhalten mindern, den Zugang zu Suchtbehandlung und medizinischer Grundversorgung erhöhen und auf lange Sicht die Gesundheitskosten senken.

Vergleichbare Ergebnisse erbrachte 2009 eine bundesweite Erhebung der Deutschen AIDS-Hilfe zu Notfällen in Konsumräumen, an der 13 der damals insgesamt 26 Konsumräume in Deutschland teilnahmen. 47 Prozent der Betroffenen hätten einen Notfall an einem anderen Ort als im Konsumraum mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überlebt, ergab die Auswertung. Den Mitarbeitern sei es durch schnelles, kompetentes Eingreifen gelungen, Leben zu retten.

Deutschland verfügt zwar über die meisten Konsumräume weltweit, doch in neun Bundesländern gibt es keinen einzigen. Dazu gehören auch Bayern, wo die Zahl der Drogentoten in den letzten Jahren besonders stark gestiegen ist, und Baden-Württemberg, in dessen Landeshauptstadt Stuttgart sich die Zahl der Drogentoten von 2009 auf 2010 fast verdoppelt hat. Es ist mithin allerhöchste Zeit, dass man auch dort die rechtlichen Voraussetzungen für Konsumräume schafft. Das Gebot, Leben zu retten, darf nicht an ideologischen Barrieren scheitern.

(ch)

Quelle: www.sciencedaily.com