HIV-Positiver bei „Domian“: Strafanzeige hilft nicht weiter

Große Aufregung um die Talk-Sendung Domian: In der Nacht von Freitag auf Samstag berichtete ein junger Mann, der sich Daniel nannte, er habe sich beim ungeschützten Sex mit einem Kölner Prominenten mit HIV infiziert.

AIDS-Attacke nach Kölner Top-Model-Party“ titelte daraufhin der Kölner Express, Focus online sprach von einem „Aids-Vorwurf“. Auch bild.de und andere Medien schrieben über den Anruf.

In der Sendung erzählte der 19-jährige, er habe den Prominenten vor vier Jahren beim Finale von „Germanys Next Topmodel“ kennengelernt. Im Sommer 2013 sei es zum ersten Mal zu ungeschütztem Sex gekommen. Er sei sehr betrunken gewesen und habe gedacht: „Er ist so bekannt und so gebildet, da kannst du drauf verzichten.“ Und fügte hinzu: „Das war das Idiotischste, was ich in meinem Leben jemals getan habe.“ Danach habe er noch vier weitere Male ungeschützten Sex mit dem Prominenten gehabt.

Jürgen Domian legte dem Anrufer eine Strafanzeige nahe. „Die Hauptschuld trägt er“, sagte der Moderator. Und: „Das ist ein schweres Vergehen, eine Straftat und ein moralisch schweres Verbrechen.“

Schuldgefühle und Ratlosigkeit

Der junge Mann wirkte während des Gespräches unsicher und bedrückt und erzählte Domian von schweren Schuldgefühlen. „Das ist eben das Problem, weswegen ich auch mit dir telefoniere: Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin unheimlich wütend, ich bin unheimlich traurig, aber ich weiß nicht, wie ich handeln soll.“

„Solche Berichte kennen wir aus zahlreichen Beratungsgesprächen“, sagt Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe. „Hilfreich ist in solchen Fällen psychologische Unterstützung, manchmal auch ein moderiertes Gespräch zwischen beiden Beteiligten. Strafanzeigen dagegen sind bei der Verarbeitung der Verletzungen und Ängste nach einer HIV-Infektion meist kontraproduktiv. Ein Strafprozess kann sehr belastend sein. Und die Beschuldigung des ,Verursachers‘ hindert die Betroffenen oft daran, sich mit dem Geschehen differenziert auseinanderzusetzen, ihre eigene Verantwortung zu sehen und ihre Schuldgefühle allmählich hinter sich zu lassen.“

Kontraproduktive Rechtsprechung

Die Übertragung von HIV kann in Deutschland als schwere Körperverletzung geahndet werden. Aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe ist diese Auslegung geltenden Rechts schädlich und fördert die Verbreitung von HIV. Denn die Rechtsprechung weist die Verantwortung für Schutz damit allein HIV-positiven Menschen zu und unterhöhlt so die wichtigste Präventionsbotschaft: Für seinen Schutz ist jeder mündige Mensch selbst verantwortlich.

Das schwarz-weiß malende Täter-Opfer-Schema des Strafrechts passt nicht zu einvernehmlichem Sex, denn es geht davon aus, dass der „Täter“ das „Opfer“ schädigen will.

„In aller Regel sind Ängste vor Zurückweisung der Grund, wenn Menschen mit HIV ihre Infektion nicht thematisieren oder nicht auf Schutz bestehen“, so Silke Klumb. „Strafrechtliche Sanktionen verschärfen diese Tabuisierung, statt zu Kommunikation über HIV und Safer Sex anzuregen.“ (Mehr Informationen in unserem Positionspapier „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“)

Verfehlte Berichterstattung

Verfehlt sind auch manche Berichte über den Domian-Anruf: Meist wird HIV mit Aids gleichgesetzt. Und mit dem Begriff „AIDS-Attacke“ zeichnete der Kölner Express das irreführende Bild eines aggressiven HIV-positiven Täters, der den Partner schädigen will. Der Express hat die Überschrift mittlerweile geändert. Sie lautet jetzt: „HIV-Infektion nach Kölner Top-Model-Party?“

Falsch ist allerdings auch die Einschätzung des Express, dem Prominenten drohe möglicherweise eine lebenslängliche Haftstrafe wegen „Totschlags“. Auch dahinter verbirgt sich die veraltete Vorstellung, HIV sei eine rasch tödlich verlaufende Infektion.

„Diese verzerrende und reißerische Form der Berichterstattung schürt die Stigmatisierung von Menschen mit HIV“, kritisiert Silke Klumb.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat heute mit der Domian-Redaktion Kontakt aufgenommen. Die Unterstützung, die der junge Anrufer bei Domian gesucht hat, kann er bei einer Aidshilfe seiner Wahl erhalten. Wir haben darum gebeten, diese Information an ihn weiterzuleiten.

(howi)