HIV-Medikamente für Nicht-Infizierte?
Präparate gegen HIV können Infektionen auch vorbeugen. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der iPrEx-Studie sind allerdings nicht so gut wie erwartet: Viele Teilnehmer nahmen die Medikamente nicht regelmäßig ein
Die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten kann das Risiko einer HIV-Infektion erheblich senken. Das ist das Ergebnis der ersten abgeschlossenen Studie zur so genannten Präexpositionsprophylaxe (PREP, zu Deutsch etwa: Vor-Risiko-Vorsorge). Zugleich haben sich allerdings deutlich mehr Menschen als erwartet trotz der Medikamente mit HIV infiziert. Die Auswertung der internationalen Studie namens iPrEx wurden am Dienstag veröffentlicht.
An der Untersuchung nahmen 2499 schwule Männer und Transsexuelle aus Brasilien, Ecuador, Peru, Südafrika, Thailand und den USA teil. Gut die Hälfte erhielt für durchschnittlich 14 Monate das Medikament Truvada. Es enthält zwei verschiedene Wirkstoffe gegen HIV und wird einmal täglich eingenommen. Die andere Hälfte der Teilnehmer bekam als Vergleichsgruppe nur ein wirkungsloses Scheinmedikament, ein Placebo.
Im Durchschnitt nahmen die Studienteilnehmer Truvada 14 Monate lang ein. Sie wurden monatlich über HIV aufgeklärt, getestet und erhielten zugleich Kondome. Alle drei Monate fanden umfangreichere Untersuchungen statt.
Das Ergebnis: In der Truvada-Gruppe infizierten sich 36 Teilnehmer mit HIV, in der Vergleichsgruppe 64. Truvada reduzierte das Risiko einer HIV-Infektion durchschnittlich um 43,8 Prozent.
Da HIV-Medikamente die Vermehrung des Virus sehr effektiv unterbinden, ist die geringe Schutzwirkung durch das Medikament zunächst überraschend. Die Erklärung: Viele Teilnehmer der Studie nahmen die Medikamente nicht regelmäßig ein. HIV-Medikamente können nämlich nur zuverlässig wirken, wenn konstant der richtige Wirkstoffspiegel im Blut aufrechterhalten wird. Bei den Studienteilnehmern, die mehr als 90 Prozent ihrer Tabletten eingenommen hatten, lag die Schutzwirkung dann auch sehr viel höher, bei 72,8 Prozent.
Zurzeit laufen zahlreiche weitere Studien zur Präexpositionsprophylaxe. Sie wird zum Beispiel bei Menschen, die sich Drogen injizieren, und bei Prostituierten erprobt. Für spezielle Gruppen, die sich häufig hohen Risiken aussetzen, könnte die vorbeugende Medikation in mittlerer Zukunft eine sinnvolle Präventionsmaßnahme sein.
Dem stehen allerdings einige Probleme entgegen: Zum einen ist die PREP sehr teuer (in Deutschland würde sie 840 Euro im Monat kosten). Außerdem traten bei manchen Studienteilnehmern, die sich kurz zuvor mit HIV infiziert hatten und bei denen der HIV-Test die Infektion noch nicht nachweisen konnte, Resistenzen gegen das Medikament auf. So könnte die PREP Medikamente für die Therapie unbrauchbar machen. Und Truvada ist zurzeit eine der wichtigsten Medikamentenkombinationen.
Nicht zuletzt können HIV-Medikamente erhebliche Nebenwirkungen haben. Die Teilnehmer der Studie hatten zwar keine gravierenden Beschwerden durch die Medikation, doch das könnte auch daran gelegen haben, dass viele die Tabletten nicht konsequent einnahmen.
"Nachdenklich stimmt nach dieser Studie vor allem die schlechte Einnahmetreue, die ja trotz intensiver Betreuung im Rahmen der Studie auftrat", sagt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe. "Möglicherweise fällt es gesunden Menschen einfach besonders schwer, regelmäßig Medikamente zu schlucken.“
(Holger Wicht)