Deutsche AIDS-Hilfe zu Infektionszahlen: HIV wird oft zu spät erkannt
Die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland ist in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben. Im Jahr 2013 haben sich wie im Vorjahr rund 3.200 Menschen mit HIV infiziert.
Schätzungsweise 80.000 leben mit HIV. Diese Zahlen hat das Robert-Koch-Institut heute in seinem Epidemiologischen Bulletin Nr. 44 veröffentlicht.
Aus den Schätzungen geht auch hervor, dass viele Menschen erst nach Jahren von ihrer Infektion erfahren. Dies kann gravierende Folgen für ihre Gesundheit haben, denn der optimale Zeitpunkt für den Therapiebeginn ist dann bereits oft vorbei. Dass Menschen nichts von ihrer Infektion wissen, nimmt zudem Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Abhilfe können mehr und frühere HIV-Tests schaffen.
Dazu sagt Manuel Izdebski vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH):
„Die konstante Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist ein Erfolg der Prävention. Vergleichbare Länder melden mehr HIV-Übertragungen und einen Anstieg. Doch es könnte bei uns noch deutlich weniger Infektionen geben: Ein Rückgang ist machbar!“
Höheres Übertragungsrisiko
Ein wesentlicher Faktor: 14.000 Menschen wissen nichts von ihrer HIV-Infektion. Sie werden dementsprechend nicht mit HIV-Medikamenten behandelt, die auch die Übertragung von HIV verhindern würden. Diese Zahl steigt seit längerer Zeit. Das Risiko, beim Sex ohne Kondom auf einen Partner mit hoher Viruslast zu treffen und sich zu infizieren, ist darum in den letzten Jahren gestiegen. Dies gilt vor allem für die besonders stark betroffenen Gruppen wie schwule Männer und Menschen, die intravenös Drogen konsumieren.
HIV-Test ist ein Schlüsselfaktor
Der Grund für diese Entwicklung: Die Testraten in den am stärksten betroffenen Gruppen sind zu niedrig. Von den 14.000 Menschen, die nichts von ihrer Infektion wissen, ist rund die Hälfte schon länger als drei Jahre infiziert. Bei 7,2 Prozent besteht die Infektion sogar schon zehn Jahre oder länger. Für die Betroffenen führt dies zu einem hohen Risiko schwerer Gesundheitsschäden, die heute vermeidbar sind.
„Eine vordringliche Aufgabe der Prävention besteht heute darin, Menschen zum Test zu motivieren, wenn sie ein Risiko hatten“, sagt Manuel Izdebski.
Für höhere Testraten braucht es noch mehr anonyme und vertrauenswürdige Testangebote in den Lebenswelten der am stärksten betroffenen Gruppen, zum Beispiel in Aidshilfen, schwulen Zentren und Einrichtungen der Drogenhilfe sowie an geeigneten Orten für Migranten. Diese Angebote stellen zugleich eine optimale Beratung sicher.
Drogenkonsumenten benötigen neben Testangeboten einen besseren Zugang zur Behandlung, denn viele erhalten auch dann keine Therapie, wenn sie wissen, dass sie HIV-positiv sind. Oft sind Vorbehalte im Medizinsystem der Grund. Hier gilt es dringend gegenzusteuern.
Prävention vor Ort legt Grundlagen
Warum werden erforderliche HIV-Tests nicht durchgeführt? Einerseits schätzen Menschen das Risiko beim Sex oder Drogenkonsum falsch ein oder verdrängen das Thema HIV. Andererseits denken auch viele Ärzte sogar bei HIV-typischen Symptomen nicht daran, einen HIV-Test anzubieten.
Schwulen Männern und anderen Menschen mit einem erhöhten HIV-Risiko empfiehlt die Deutsche AIDS-Hilfe, sich einmal im Jahr auf HIV testen zu lassen. So ist der Therapiebeginn zum optimalen Zeitpunkt möglich. Für Ärzte sind noch mehr Fortbildungsprogramme erforderlich, die sie auch dazu befähigen, mit ihren Patienten über Sexualität zu sprechen.
Eine Schlüsselrolle hat die Prävention vor Ort, die in den Lebenswelten der am stärksten betroffenen Gruppen ansetzt und das persönliche Gespräch ermöglicht. Solche Angebote sind jedoch vielerorts drastisch unterfinanziert.
„Wer an der Prävention vor Ort spart, wird Infektionen ernten“, sagt Manuel Izdebski.