Deutsche AIDS-Hilfe stützt Kurs von Amnesty International zur Sexarbeit
Amnesty International steht unter Druck. Der Grund: Die Menschenrechtsorganisation will auf ihrer internationalen Ratstagung, die morgen in Dublin beginnt, ein Positionspapier zur Sexarbeit beraten. Ziel: die weltweite Entkriminalisierung der Sexarbeit.
Dagegen gibt es nun heftigen Widerstand. Über 7.000 Personen haben eine Online-Petition gegen die geplante Positionierung unterschrieben. Ihre Argumentation: Mit einem Ende der Kriminalisierung würden nicht nur Zuhälterei, Bordellbesitz und käuflicher Sex legal, sondern auch Menschenhandel befördert. Auch Prominente wie Meryl Streep oder Kate Winslet versuchen, Amnesty vom geplanten Weg abzubringen.
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter erfüllt das mit Sorge. Sie fürchten, dass Amnesty die neue Policy noch kippen könnte - denn ein Statement der Menschenrechtsorganisation hat Gewicht.
In einem offenen Brief stärken darum nun Selbsthilfe-Organisationen Amnesty International den Rücken. Die Argumente der Protestierenden teilen sie nicht. Für sie ist die Entkriminslisierung eine Frage der Menschenrechte und schützt Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter vor Gewalt und Diskriminierung.
1.100 Unterzeichner rufen Amnesty dazu auf, trotz des öffentlichen Drucks Kurs zu halten. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe hat diesen Brief unterzeichnet. Initiiert hat den Appell das International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe (ICRSE), in dem 70 Organisationen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in Europa und Zentralasien zusammengeschlossen sind.
Einvernehmlicher Sex soll nicht bestraft werden
Amnesty will sich bislang dafür einsetzen, dass Sexarbeit und damit verknüpfte Aktivitäten nicht bestraft werden, sofern sie auf „einvernehmlichem Sex zwischen Erwachsenen“ beruhen. Gleichzeitig werden Menschenhandel und Zwangsprostitution weiter als „ernsthafte Menschenrechtsverletzung“ definiert, die unter Strafe stehen müsse.
Luca Stevenson und Agata Dziuban vom ICRSE würdigen gerade diesen differenzierten Blick auf Sexarbeit. Amnesty berücksichtige ausdrücklich die „systemischen Faktoren und persönlichen Umstände, die zu Armut, Diskriminierung und Geschlechterungleichheit“ führen, schreiben sie in der Online-Ausgabe des Guardian. Entkriminalisierung werde genau denen helfen, die Sexarbeit ohnehin weiter nachgehen – weil sie kaum andere Möglichkeiten haben.
Weitere Kriminalisierung würde dagegen Menschen in der Sexarbeit dazu zwingen, abgeschottet und isoliert unter risikoreichen Bedingungen zu arbeiten und sich so der Gefahr von Vergewaltigung und Mord auszusetzen.
„In einem Klima der Ächtung und Verfolgung erreicht auch Prävention die Menschen nicht“, sagt Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe. „Ohne die Betroffenen stark zu machen, sind Selbstschutz und sichere Arbeitsbedingungen fast unmöglich“. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert daher eine vollständige Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Berufen.
Schutz der Menschenrechte bleibt das Ziel
Stevenson und Dzuiban verweisen auf Untersuchungen der WHO oder von Human Rights Watch, die die Einschätzung der Selbsthilfe-Organisationen untermauern. In der Diskussion solle aber etwas anderes eine noch stärkere Rolle spielen, so die Initiatoren des Briefs: Die Stimme der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter selbst.
Wann eine Entscheidung fällt, ist offen. „Die intensiven Debatten innerhalb der Organisation gehen derzeit im im Rahmen der internationalen Ratstagung (ICM) weiter" , erklärte Amnesty International heute gegenüber aidshilfe.de. Sicher sei eines: „Ziel ist der höchstmögliche Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Personen, die im Sexgewerbe ihre Dienstleistungen verkaufen.“
mima