Aktion „Wir machen’s ohne“: Schutz durch HIV-Therapie wirkt
Deutsche AIDS-Hilfe begrüßt Facebook-Aktion HIV-Positiver: Sex ohne Kondom kann Safer Sex sein / Unwissenheit und Stigmatisierung entgegenwirken / Gut informiert entscheiden!
Seit heute morgen erklären Menschen mit HIV auf einer Facebook-Seite: „Wir machen’s ohne – Safer Sex durch HIV-Therapie“. Am Vortag des Welt-Aids-Tages machen sie öffentlich, dass sie auf Kondome verzichten – ohne dass ein Übertragungsrisiko besteht. Ihre Botschaft: „Eine gut wirksame Therapie verhindert die Übertragung von HIV. Sex ohne Kondom ist dann Safer Sex.“
Michèle Meyer, die Initiatorin der Aktion, erklärt dazu: „Schutz durch Therapie ist wissenschaftlich belegt. Wir leben es und reden darüber!“Auf der Facebook-Seite haben sich mittlerweile auch HIV-negative Menschen solidarisch erklärt und berichten, dass sie Schutz durch Therapie praktizieren.
Schutzwirkung noch wenig bekannt
Die Deutsche AIDS-Hilfe begrüßt diese Selbsthilfe-Offensive. Dazu erklärt DAH-Vorstand Manuel Izdebski: „Die meisten Menschen wissen noch nicht, dass eine gut wirksame HIV-Therapie auch die Übertragung des Virus verhindert. Menschen mit und ohne HIV nutzen diese Schutzmöglichkeit bereits seit Jahren erfolgreich. Diese Aktion wird die Schutzwirkung der HIV-Therapie bekannter machen. Dieses Wissen wird auch Ängste vor Menschen mit HIV reduzieren und damit Ausgrenzung entgegenwirken.“
Anlass der Aktion ist eine Äußerung eines jungen HIV-positiven Mannes vor zwei Wochen auf Facebook. „Ich habe regelmäßig Sex ohne Kondom. Schutz durch Therapie macht es möglich“, hatte er geschrieben. Er war daraufhin in einigen Medien und den Sozialen Netzwerken angefeindet und bedroht worden. Immer wieder wurde er als „verantwortungslos“ bezeichnet, obwohl diese Aussage sachlich richtig ist.
Verantwortungsbewusste Entscheidung
„Ein HIV-Positiver, der HIV nicht weitergeben kann, handelt beim Sex mit HIV-Negativen nicht verantwortungslos. Er kann sich darauf verlassen, dass sein Gegenüber geschützt ist“, betont DAH-Vorstand Izdebski. „Verantwortungslos handeln diejenigen, die andere herabwürdigen, statt sich zu informieren. Die Kommentare verstärken das Klischee, Menschen mit HIV seien eine Gefahr. Sie leisten damit Ausgrenzung Vorschub.“
Die Selbsthilfe-Aktion auf Facebook will aufklären und damit dieser Stigmatisierung entgegenwirken. Sie will ausdrücklich nicht zum Kondomverzicht aufrufen.
Nicht nur Kondome schützen
„Diese Aktion zeigt, dass es heute verschiedene Möglichkeiten gibt, eine HIV-Übertragung zu verhindern“, so Izdebski. „Kondome bleiben die einfachste Möglichkeit sich vor HIV zu schützen, die jeder selbst anwenden kann. Bei Sexualität zwischen HIV-Positiven und Negativen kann aber Schutz durch Therapie eine völlig legitime und verantwortungsbewusste Entscheidung sein, die zu einer erfüllten Sexualität beiträgt.“
Wichtig: Wer Schutz durch Therapie praktizieren möchte, muss sich vorher gut informieren, da einige Bedingungen erfüllt sein müssen (siehe unten). Während HIV-Positive Menschen meist wissen, ob sie HIV noch übertragen können oder nicht, müssen HIV-Negative Menschen im Einzelfall abschätzen, ob sie genug über den Partner wissen. Dafür ist Vertrauen notwendig. Die Deutsche AIDS-Hilfe rät, im Zweifel Kondome zu verwenden.
Therapie schützt zuverlässig
Und so funktioniert die Schutzwirkung der Therapie: HIV-Medikamente unterbinden die Vermehrung von HIV im Körper. Sind im Blut dauerhaft keine Viren mehr nachweisbar, ist eine Übertragung so gut wie ausgeschlossen. Schon seit Jahren ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Therapie mindestens so zuverlässig wie Kondome (Studie HPTN 052, Partner-Study).
Bedingung für diese Schutzstrategie sind die zuverlässige Einnahme der Medikamente und regelmäßige Blutuntersuchungen. Wer Schutz durch Therapie praktiziert muss außerdem wissen, dass durch den Verzicht auf das Kondom das Risiko steigt, sich mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen zu infizieren. Deswegen sollte man sich regelmäßig untersuchen und gegebenenfalls behandeln lassen.
Therapiequote steigt
In Deutschland leben rund 83.000 Menschen mit HIV. 69 Prozent erhalten eine HIV-Therapie. Von den Menschen, bei denen HIV bereits diagnostiziert wurde, nehmen 82 Prozent HIV-Medikamente. Die Tendenz ist steigend, weil mittlerweile erwiesen ist, dass sich ein früher Therapiebeginn gesundheitlich auszahlt. Rund 13.000 Menschen wissen noch nichts von ihrer HIV-Infektion.
Schutz durch Therapie ist nicht zu verwechseln mit der Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), bei der HIV-Negative das HIV-Medikament Truvada vorbeugend einnehmen. Beim Schutz durch Therapie entfalten die Medikamente des HIV-Positiven die Schutzwirkung.