Ärzte fordern drastische Preisreduktion für neue Hepatitis-C-Medikamente
Über 140 deutsche und österreichische Ärztinnen und Ärzte, von denen viele täglich Menschen mit Hepatitis C behandeln, kritisieren öffentlich die hohen Preise der neuen HCV-Medikamente.
„Wir freuen uns über den medizinischen Fortschritt und darüber, dass wir nun endlich Therapien zur Hand haben, mit denen wir den größten Teil unserer Patienten mit Hepatitis C heilen können. Gleichzeitig beobachten wir die hohen Kosten der Medikamente mit Sorge“, heißt es in der Stellungnahme, die gestern in einer Pressemitteilung der Ärzte der Welt veröffentlicht wurde.
Diese lägen in Deutschland pro Patient für eine zwei- bis sechsmonatige Behandlung je nach HCV-Genotyp und Ausmaß der Leberschädigung zwischen 44.000 € bis deutlich über 50.000 Euro, in Einzelfällen sogar über 100.000 €. „Grund dafür ist das Streben nach Gewinnmaximierung der auf diesem Markt aktiven Konzerne Gilead, Janssen-Cilag, Bristol-Myers Squibb und AbbVie“, erklären die Initiatoren des Aufrufs, Dr. Stephan Dupke und Dr. Gerd Klausen aus Berlin.
Angesichts der schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Hepatitis-C-Patienten allein in Deutschland sei ein Kollaps des öffentlichen Gesundheitssystems absehbar, wenn man alle konsequent behandelte, befürchten die Unterzeichner der Stellungnahme. Man werde entweder nur einen kleinen Teil der Patienten behandeln, wie das bereits in Frankreich der Fall sei, oder die Krankenkassenbeiträge erhöhen.
„Damit würde es in Deutschland erstmalig zur Rationierung von Medikamenten kommen, mit denen eine weit verbreitete chronische Erkrankung mit großer Erfolgsaussicht behandelt werden kann.“ Dies sei umso ärgerlicher, als es sich um eine infektiöse Erkrankung handele und die Ausbreitung durch Neuansteckungen durch eine breit eingesetzte Therapie erheblich reduziert werden könnte.
Für die meisten der Hepatitis-C-Positiven in den Ländern des globalen Südens, deren Zahl die WHO auf 130 bis 150 Millionen schätze, werde die Behandlung „bis auf weiteres völlig undenkbar sein“.
Die Unterzeichner rufen daher „die beteiligten Firmen zur Mäßigung und zur drastischen Reduktion der Preise der direkt antiviral wirkenden Hepatitis-C-Medikamente auf, sodass diese breit eingesetzt werden können“, womit sie den Einspruch von Ärzte der Welt gegen das Patent für den Sovaldi-Wirkstoff Sofosbuvir beim Europäischen Patentamt (EPA) in München unterstützen. Zugleich fordern sie die Politik auf, schnell wirksame Regulationsmechanismen zu entwickeln, „die der maßlosen, unkontrollierten und rein gewinnorientierten Preisgestaltung von neuen Medikamenten durch Pharmafirmen auf Kosten der Sozialsysteme Einhalt gebieten“.
Der Appell wird unterstützt von Ärzte der Welt, dem Arbeitskreis AIDS niedergelassener Ärzte Berlin, IPPNW – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung, MEZIS und Universities Allied for Essential Medicines Europe. Er ist eine Reaktion auf die Preisverhandlungen zwischen dem Hersteller Gilead und den Krankenkassen in Deutschland, die nicht zu der erhofften Preissenkung des Medikamentes Sovaldi geführt hatten.
(ascho)
Pressemitteilung der Ärzte der Welt vom 11. Juni 2015