Wichtige Regelungen auf einen Blick
Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist, Benachteiligungen zum Beispiel wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Neben dem Schwerpunkt der Arbeitswelt betrifft das AGG auch Alltagsgeschäfte (z. B. Einkäufe, Restaurantbesuche, Bahn- und Busfahrten), den Wohnungsmarkt, die Bildung sowie Gesundheit und Pflege.
Nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist das AGG auch auf die medizinische Behandlung in Praxen und Krankenhäusern anwendbar, zum Beispiel, wenn Patient*innen mit HIV bei Zahnärzt*innen nur Termine am Ende des Tages bekommen oder ihnen eine Behandlung verweigert wird (→ Weitere Informationen).
Wichtig: Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz oder Entschädigung nach § 15 oder 21 AGG muss man innerhalb von zwei Monaten nach dem Vorfall schriftlich geltend machen. Will man anschließend Klage einreichen, sollte man die Fristen beachten – bei Diskriminierung im Arbeitsleben zum Beispiel hat man nach der Geltendmachung von Ansprüchen maximal drei Monate Zeit, eine Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung einzureichen. Über den Ablauf und die Fristen einer Klage nach dem AGG informiert die Antidis- kriminierungsstelle des Bundes unter https://t1p.de/ljuk3. Lass dich auf jeden Fall beraten!
Die Berufsordnungen der Ärzt*innen werden von den Landesärztekammern beschlossen und enthalten die Berufspflichten und Grundsätze der Berufsausübung.
Geregelt sind darin unter anderem die Schweigepflicht, die Aufklärungspflicht oder die Dokumentationspflicht.
Geregelt ist der Behandlungsvertrag zwischen Ärzt*innen und Patient*innen in § 630 a–h des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Er klärt u. a. die Mitwirkung der Vertragsparteien und die Informationspflichten, die Einwilligung der Patient*innen, die Dokumentation der Behandlung und die Einsichtnahme
in die Patient*innenakte. Gehen Ärzt*innen einen Behandlungsvertrag ein, müssen sie die zugesagte Behandlung auch durchführen:
§ 630a BGB: Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.
(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.
Aus § 95 des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) lässt sich ableiten, dass für Kassenärzt*innen grundsätzlich eine Behandlungspflicht für gesetzlich krankenversicherte Patient*innen gilt. Für privat abrechnende Ärzt*innen gibt es eine solche Behandlungspflicht nicht.
Die Behandlungspflicht hat aber eng gesteckte Grenzen. Sie endet zum Beispiel, wenn Patient*innen sich nicht an die ärztlichen Anordnungen halten, den Arzt*die Ärztin drangsalieren oder wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist (→ siehe etwa das Fallbeispiel 1). Eine Behandlung kann außerdem auch abgelehnt werden, wenn eine Praxis keine Kapazitäten mehr hat – bei zu vielen Patient*innen wäre keine ordnungsgemäße Versorgung mehr möglich, so der Gedanke dahinter.
Gesetzlich versicherte Patient*innen haben freie Wahl unter zugelassenen Kassenärzt*innen (§ 76 SGB V). Diese sind nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht nur zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt, sondern auch verpflichtet. Das heißt: Vertragsärzt*innen sind zwar ebenfalls frei, ob sie einen Behandlungsvertrag (→ s. oben) eingehen, aber sie dürfen Kassenpatient*innen nicht aus unsachlichen Gründen oder willkürlich ablehnen.
Eine erforderliche Notfallbehandlung dürfen Ärzt*innen nicht ablehnen. Sonst machen sie sich gemäß § 323 c des Strafgesetzbuchs (StGB) wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar.
Eine Notfallbehandlung ist dann erforderlich, wenn sich Patient*innen in Lebensgefahr befinden oder erhebliche Schmerzzustände haben oder wenn eine andere unmittelbar behandlungsbedürftige Situation besteht. Allerdings sind Ärzt*innen nur zu solchen Maßnahmen verpflichtet, die „erforderlich“ sind, um die Notsituation zu beheben. So könnten zum Beispiel Zahnärzt*innen die Behandlung schmerzgeplagter Patient*innen verweigern, nachdem sie ihnen Schmerzmittel gegeben haben – die Patient*innen können sich ja anschließend an eine*n andere*n Arzt*Ärztin wenden.
In zahlreichen Fällen der Behandlungsverweigerung wird daher die Grenze zur strafrechtlich relevanten unterlassenen Hilfeleistung nicht überschritten sein.
In § 630a BGB zum Behandlungsvertrag (→ s. oben) heißt es im zweiten Satz: „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“
„Besondere Hygienemaßnahmen“, die manche Praxen oder Krankenhäuser bei Menschen mit HIV anwenden, entsprechen nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards. Darauf weist z. B. das Robert Koch-Institut in seinem „Ratgeber für Ärzte“ hin:
„Bei der Behandlung von HIV-Infizierten und Aids-Patienten sind, ebenso wie bei der Behandlung aller anderen Patienten, die anerkannten Regeln der Hygiene zu beachten. Da der Infektionsstatus von Patienten unbekannt sein kann, sind grundsätzlich bei allen Patienten die Maßnahmen der Basishygiene anzuwenden. Bei allen Manipulationen, bei denen ein Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Körperflüssigkeiten (z. B. Blut, Sperma) stattfinden kann, müssen Schutzhandschuhe getragen werden. Wo kontaminierte Tröpfchen entstehen können, sind ein Schutzkittel oder eine Schürze, ein mehrlagiger Mund- Nasen-Schutz und eine Schutzbrille oder ein Gesichtsschutzschild zu benutzen. Alle scharfen oder spitzen Gegenstände, die mit Blut oder Körperflüssigkeiten verunreinigt sein können, müssen ohne Gefährdung Dritter sicher entsorgt werden. Entsprechende Hinweise sind z. B. in der Empfehlung der Kommission für Kranken- haushygiene und Infektionsprävention […] enthalten.“
(rki.de → Infektionsschutz → RKI-Ratgeber → HIV- Infektion/AIDS; Kurzlink: https://t1p.de/obekd)
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet, dass du grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung deiner personenbezogenen Daten bestimmen kannst. Es wird zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt, ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („Volkszählungsurteil“ von 1983) ein Datenschutz-Grundrecht. Auch nach Artikel 8 der EU- Grundrechtecharta sind personenbezogene Daten geschützt.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der Datenschutzgesetze der Länder. Das BDSG wiederum ergänzt die auf europäischer Ebene geregelte und auch in Deutschland gültige Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Im Datenschutzrecht gilt das sogenannte Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Das heißt: Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten ist im Prinzip verboten und nur dann erlaubt, wenn entweder eine klare Rechtsgrundlage gegeben ist oder wenn die betroffene Person ausdrücklich (meist schriftlich) ihre Zustimmung zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten gegeben hat.
In der DSGVO liegt dieses Prinzip dem Artikel 6 zugrunde. Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten wie Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, zeitliche Speicherbegrenzung sowie Integrität und Vertrau- lichkeit finden sich in Artikel 5 der DSGVO.
Durch die Datenschutzgrundverordnung wurden die Informationsrechte der Bürger*innen gestärkt und die Bußgelder gegen Verstöße deutlich erhöht. Weitere Informationen geben die Datenschutzbeauftragten der Bundesländer und des Bundes.
Datenschutz in der Klinik und in der Praxis heißt zum Beispiel:
- Beschäftigte dürfen nicht auf alle Patient*innen daten zugreifen, sondern nur auf solche, die sie für ihre Aufgaben benötigen.
- Gesundheitsbezogene Daten, z. B. Patient*innen akten mit Diagnosen, dürfen nicht unbeaufsich tigt an der Anmeldung, im Krankenzimmer oder in anderen Räumen herumliegen.
- Auch bei elektronisch erfassten Daten ist dafür zu sorgen, dass sie für Unbefugte nicht einseh bar sind (zum Beispiel, indem man Bildschirme so hinstellt, dass andere keinen Blick auf Daten werfen können).
Unbedingt berücksichtigt werden muss, wenn Patient*innen nicht wol len, dass auf Überwei sungen an Dritte die HIVInfektion vermerkt wird. In den Mutterpass darf nur die Durchfüh rung eines HIVTests ein getragen werden, nicht das Ergebnis.
Ärzt*innen dürfen laut § 203 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) anderen nicht „unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehören- des Geheimnis … offenbaren“. Ihnen droht sonst eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe, zivilrechtlich kann auf Unterlassung und Schadensersatz geklagt werden.
Die Verschwiegenheitspflicht (Schweigepflicht) gilt auch für die Mitarbeiter*innen (§ 203 Abs. 3 StGB).
Die Schweigepflicht betrifft alle personenbezogenen Daten und Tatsachen (zum Beispiel Art und Verlauf der Erkrankung) und gilt gegenüber jedem und jeder (auch gegenüber Angehörigen) – sogar über den Tod hinaus.
Ausnahmen von der Schweigepflicht gibt es zum Beispiel, wenn
- das ausdrückliche Einverständnis des*der Betroffenen vorliegt (z. B. zur Weitergabe personenbezogener Daten zu Abrechnungszwecken oder zur Entbindung der behandelnden Ärzt*innen von der Schweigepflicht vor Abschluss einer privaten Krankenversicherung oder Lebensversicherung)
- eine „stillschweigende“ oder mutmaßliche Einwilligung vorliegt (→ unten), z. B. wenn im Krankenhaus bei der Übergabe Patient*innendaten an Ärzt*innen und Pflegepersonal der folgenden Schicht weitergegeben werden
- eine gesetzliche Auskunftspflicht besteht, z. B. gegenüber Sozialleistungsträgern oder gemäß dem Infektionsschutzgesetz (das ist bei HIV aber nicht der Fall)
- ein rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB vorliegt, zum Beispiel, wenn akute Gefahr für Leib und Leben einer dritten Person besteht (→ aber z. B. Fallbeispiel 5).
Das stillschweigende Einverständnis in die Weiterleitung ärztlicher Befunde und sonstiger Daten an Dritte erstreckt sich nur auf diejenigen Beschäftigten, die notwendigerweise und unmittelbar mit ihnen befasst sind – sei es in der Behandlung, Pflege oder Verwaltung. Dieser Sachverhalt ist ebenso bei der Dokumentation, Aufbewahrung und Weitergabe von Befunden und Behandlungsdaten sowie bei der Abrechnung mit den Krankenkassen zu berücksichtigen.