Mythen und Ängste

Kurzinfo, Materialien, Weiterbildung

Kurzinfo

Viele der Mythen und Ängste zu HIV und AIDS haben ihren Ursprung in den frühen 1980ern – bevor wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankung und ihre Übertragung bekannt wurden. Panik vermischte sich mit schon bestehenden Vorurteilen und Abwertung gegenüber besonders gefährdeten Gruppen – Schwulen und anderen Männern, die Sex mit Männern haben, Menschen die Drogen gebrauchen und Sexarbeiter*innen. Scham und kulturell-religiöse Haltungen zum Thema Sex behinderten die Aufklärung der Allgemeinbevölkerung – trotz wachsenden Erkenntnisstands.

Selbsthilfeinitiativen, gezielte Aufklärung und massive Verhaltensänderungen (Safer Sex, Safer Use) unter den betroffenen Gruppen selbst führte einerseits dazu, dass sich die Infektion in Deutschland nicht, wie zunächst befürchtet, unter der ganzen Bevölkerung ausbreitete. Andererseits entwickelte sich der Kenntnisstand bei den betroffenen Gruppen und der Allgemeinbevölkerung immer weiter auseinander. Besonders die tiefgreifenden Veränderungen durch effektive antiretrovirale Therapie (seit 1996), den Nachweis der sexuellen Nicht-Übertragbarkeit bei erfolgreicher Behandlung (seit 2008) und die Prä-Expositionsprophylaxe PrEP (seit 2019) sind nicht allen gleichmäßig vertraut.

Die Präsenz des Themas HIV/AIDS ließ nach, auch bei Menschen in den Gesundheitsberufen. Informationen veralteten oder gerieten aus dem Blickfeld, in der Praxis wie in der Aus-und Fortbildung. 

In ihrem beruflichen Werdegang begegnen (Zahn-)Ärzt*innen und Menschen in therapeutischen und Pflegeberufen den aktuellen medizinischen und sozialen Aspekten von HIV selten in für sie gut aufbereiteter Form. Deshalb halten sich unwissenschaftliche Annahmen und überholte Informationen immer noch. Viele Menschen mit HIV sind und kommen in Alterskohorten, in denen sie mehr (zahn-)ärztliche, pflegerische und therapeutische Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen.

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Um Diskriminierung und Stigmatisierung  im Gesundheitswesen wirksam abzubauen, müssen wir hartnäckige Mythen enttarnen und unbegründete Ängste nehmen. Die Wichtigsten sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Die Materialien und Weiterbildungsoptionen weiter unten bieten Informationen und Methoden für Aus- und Fortbildungszwecke.

Manche glauben …Fakt ist …
Menschen mit HIV tragen selbst die Schuld an ihrer Infektion.Niemand ist „schuldig“. HIV ist aber ungleich verteilt. Das hat mehrere Gründe. Über bestimmte Schleimhäute z. B. im Enddarm kann HIV leichter übertragen werden. Strukturell gesehen wird der Selbstschutz durch Gewalt gegen Frauen, Benachteiligung, verinnerlichte Homophobie, mangelnden Zugang zum Gesundheitssystem und Armut beeinträchtigt.
HIV ist viel infektiöser als andere Erreger.HIV ist schwer übertragbar. Bei erfolgreicher Therapie sinkt die Viruslast und HIV ist selbst sexuell nicht mehr übertragbar. HBV und HCV z. B. sind um ein Vielfaches infektiöser als HIV.
HIV ist ein medizinischer Spezialfall, es gelten besondere Maßnahmen und Regeln.Sonder- und Nichtbehandlung sind diskriminierend sowie unnötig oder sogar widerrechtlich. Unter Einhaltung der Basishygiene besteht praktisch kein Infektionsrisiko. Menschen mit HIV haben dieselben Rechte auf Behandlung, Datenschutz und Selbstbestimmung wie alle anderen Patient*innen. 
Medizinisches Personal mit HIV unterliegt strengen Einschränkungen.Menschen mit HIV arbeiten in allen Gesundheitsberufen. Einschränkungen gibt es nur in sehr seltenen Fällen und für ganz spezielle Tätigkeiten. So sollen Chirurg*innen, die besonders verletzungsträchtige Tätigkeiten ausführen,  eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben.
Ich begegne kaum Menschen mit HIV. In meinem Umfeld gibt es sie gar nicht. Die ca. 90 000 Menschen mit HIV in Deutschland sind jeden Alters und überall in der Gesellschaft unterwegs. Die moderne Behandlung ermöglicht eine normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. Viele Menschen mit HIV sprechen nicht oft über ihre Infektion – einerseits, weil HIV nicht vorrangig ihr Leben bestimmt, andererseits, weil sie Diskriminierung und Stigma vermeiden wollen.

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