Schutz durch Therapie
Die Infomappe richtet sich an Berater*innen in Aidshilfen.
Ratsuchende, die Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten und sexuellem Wohlbefinden haben, können sich an unsere Onlineberatung unter www.aidshilfe-beratung.de wenden.
Schutz durch Therapie verhindert beim Sex eine HIV-Infektion, wenn ein*e Partner*in HIV-positiv und der*die andere HIV-negativ ist.
Die Methode beruht darauf, dass die HIV-positive Person eine HIV-Therapie macht, welche die HIV-Menge in ihrem Blut seit mindestens einem halben Jahr unter 200 Kopien/ml drückt. Man spricht hier von einer suppressiven (unterdrückenden) ART oder auch von einer „Viruslast unter der Nachweisgrenze“; technisch liegt diese bei modernen Verfahren meist zwischen 20 und 40 Viruskopien/ml.
Bei einer suppressiven ART befinden sich auch in anderen Körperflüssigkeiten wie Sperma, Vaginalflüssigkeit oder dem Flüssigkeitsfilm auf der Darm- oder Penisschleimhaut kaum noch Viren, eine HIV-Übertragung beim Sex findet nicht mehr statt.
Auf ein Kondom oder eine PrEP kann man unter diesen Bedingungen verzichten und ist trotzdem vor HIV geschützt. Die Medikamente müssen regelmäßig eingenommen und der Erfolg der Therapie muss regelmäßig überprüft werden.
Die Methode sollte man nur nach Rücksprache mit dem*der behandelnden Ärzt*in anwenden.
Wie sicher ist der Schutz durch die Medikamente?
In mehreren Studien wurden hunderte Paare aus HIV-positiven und HIV-negativen Partner*innen über Jahre begleitet. Sie hatten in dieser Zeit zigtausende Sexualkontakte ohne Kondom oder die PrEP. Dabei kam es zu keiner einzigen HIV-Übertragung. Wenn man Schutz durch Therapie praktiziert, ist also auch Sex ohne Kondom oder die PrEP Safer Sex.
Wenn einzelne Einnahmen verzögert erfolgen oder vergessen werden, gefährdet das nicht gleich den Therapieerfolg und es entsteht auch kein höheres Übertragungsrisiko. Vergisst man die Einnahme aber häufiger, kann die Viruslast wieder steigen und damit auch das Übertragungsrisiko.
Auch aus anderen Gründen kann die HIV-Menge im Blut dauerhaft auf hohe Werte ansteigen, zum Beispiel, weil sich Resistenzen entwickelt haben. Dann muss die Therapie eventuell umgestellt werden, um die HIV-Vermehrung wieder wirksam zu unterdrücken.
Weitere Strategien zur Senkung des HIV-Risikos
Nach Kontakt („Exposition“ = „Ausgesetztsein“) mit einer infektionsrelevanten HIV-Menge, z. B. bei Stichverletzung an einer Nadel mit HIV-haltigem Blut ungeschütztem Sex mit einer unbehandelten Person mit HIV oder gemeinsamer Benutzung von Spritzen und Nadeln zum Drogenkonsum,
kann eine Post-Expositions-Prophylaxe (PEP, etwa „Vorbeugung nach einem Kontakt mit HIV“) das „Einnisten“ von HIV und das „Angehen“ einer Infektion meistens verhindern. Bei der PEP handelt sich dabei um eine vierwöchige Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten.
Beginnen sollte man mit einer PEP idealerweise innerhalb von zwei Stunden, möglichst innerhalb von 24 und nicht später als 48 Stunden nach dem Risikokontakt. Adressen von Kliniken und Einrichtungen, in denen eine PEP möglich ist, finden sich unter www.kompass.hiv/pep.
Studien zufolge senkt die Beschneidung der Vorhaut das HIV-Infektionsrisiko beim einführenden Vaginalverkehr um bis zu 60 Prozent, vor allem, weil die Schleimhautoberfläche des Penis verringert und der an HIV-Zielzellen reiche Teil der Vorhaut entfernt wird. Ob die Beschneidung auch das Risiko beim Analverkehr senkt, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Zu bedenken ist, dass viele Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sowohl eindringenden als auch aufnehmenden Analverkehr praktizieren.
Besonders in einer festen Partnerschaft kann ein „Bilanztest“ sinnvoll sein: Beide Partner*innen machen einen HIV-Test, nachdem sie sechs Wochen (bei Schnelltests/Selbsttests: 12 Wochen!) keine Risiken eingegangen sind. Sind dann beide HIV-negativ und haben keinen Sex mit anderen, können sie innerhalb der Partnerschaft auf Kondome oder die PrEP verzichten.
Manche Paare erweitern diese Regel: Sie leben eine offene Beziehung und machen außerhalb der Beziehung nur Safer Sex, damit sie innerhalb der Beziehung auf Kondome oder die PrEP verzichten können. Dafür sind sehr klare Absprachen nötig. Deswegen nennt man diese Strategie „Ausgehandelte Sicherheit“.
Bilanztest und „Ausgehandelte Sicherheit“ verlangen großes Vertrauen zum*zur Partner*in: Hat er*sie tatsächlich keinen ungeschützten Sex mit anderen Partner*innen? Wenn es doch einmal passiert, muss er*sie darüber sprechen, um den*die feste Partner*in nicht zu gefährden.
„Bei Symptomen zum*zur Ärzt*in“: Diese Botschaft wird bei Symptomen, die auf eine HIV-Infektion oder andere sexuell übertragbare Infektion hinweisen, aus Scham oft nicht umgesetzt. Hier gilt es, in der Beratung die Bedeutung einer rechtzeitigen Diagnose und Therapie sowie der Benachrichtigung der letzten Sexpartner*innen zu klären, damit auch diese sich untersuchen und ggf. behandeln lassen können.
Hingewiesen werden sollte auch darauf, dass STIs häufig ohne Symptome verlaufen oder dass diese nicht bemerkt werden. Auch bei HIV treten nach einer Infektion nicht immer gleich Symptome auf, und Anzeichen einer akuten Infektion werden oft fälschlicherweise zum Beispiel als Grippe oder Darminfektion gedeutet.
Regelmäßige HIV- und STI-Tests
Wer häufig Sex mit unterschiedlichen Partner*innen hat, sollte sich regelmäßig auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen testen lassen (➞ Empfehlungen dazu im Kapitel 6 „STIs“).