HIV-Infektion und Infektiösität
Die Infomappe richtet sich an Berater*innen in Aidshilfen.
Ratsuchende, die Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten und sexuellem Wohlbefinden haben, können sich an unsere Onlineberatung unter www.aidshilfe-beratung.de wenden.
HIV-Infektion und Infektiosität
Das Wort Aids steht für die englische Bezeichnung „Acquired Immune Deficiency Syndrome”, zu deutsch „Erworbener Immundefekt”. Bei einem Immundefekt ist die Abwehrfähigkeit des Körpers gegenüber Krankheitserregern vermindert.
Ursache für Aids ist die Infektion mit HIV („Human Immune Deficiency Virus”, = „menschliches Immundefekt Virus”). Virus HIV-1 wurde 1983/84 entdeckt, drei Jahre später auch HIV-2, ein weiterer Virustyp, der hauptsächlich in Westafrika vorkommt, in Deutschland aber so gut wie keine Rolle spielt. Von HIV-1 gibt es verschiedene Gruppen (M, N und O) und Subtypen (A, B, C, D…) sowie Mischformen. HIV-Antikörpertests weisen HIV-1 und HIV-2 lückenlos nach.
Die Ansteckung
Gelangt HIV bei sexuellem Weg durch die Schleimhaut, braucht es einige Tage, bis HIV im Blut „angekommen“ ist. Denn es infiziert erst Immunzellen in der Schleimhaut, gelangt dann über die Lymphbahnen in Lymphknoten, vermehrt sich dort und erreicht nach einigen Lymphknotenstationen das Blut. Es kommt zu einer geradezu explosionsartigen Vermehrung. In dieser Phase treten dann Krankheitssymptome einer akuten Infektion auf.
Gelangt HIV durch Drogenkonsum direkt in die Blutbahn, ist die Phase bis zum explosionsartigen Anstieg der Viruslast kürzer – der lange Weg durch Schleimhautgewebe und Lymphbahnen entfällt.
In den ersten 48 bis max. 72 Stunden nach einem Risikokontakt kann man durch den Einsatz einer PEP (s. dort) ein „Angehen“ der HIV-Infektion noch verhindern (sowohl nach sexueller, als auch nach intravenöser Exposition).
Wie verläuft eine HIV-Infektion?
HIV befällt vor allem Immunzellen (sog. CD4-Zellen oder Helferzellen) und führt somit zu einer Schädigung des Immunsystems. Die möglichen Folgen sind weitere Infektionen und die Entstehung von Tumoren.
Gleichzeitig kommt es zu einer Überstimulation des Immunsystems: es läuft auf Hochtouren, um die HIV-Infektion zu bekämpfen. Dadurch kommt es zu mehr Allergien und Hautausschlägen und entzündlichen Prozessen (z. B. in den Gefäßen). Letztendlich erfolgt eine Erschöpfung des Immunsystems. Der Verlauf einer HIV-Infektion wird in die akute und die chronische Phase eingeteilt.
Akute Phase
Bei Infektion auf sexuellem Wege erfolgt der starke Anstieg der Viruslast in der Regel nach 2 bis 3 Wochen. Manchmal ist der Viruslastanstieg allerdings verzögert – bis zu 6 Wochen nach Risikokontakt. In den ersten 4 Tagen nach sexueller Exposition ist im Blut normalerweise noch kein Virus nachweisbar, der_die Infizierte ist dann noch nicht infektiös – dies ändert sich allerdings geradezu schlagartig, wenn dann die Viruslast innerhalb weniger Tage auf extrem hohe Werte (Hunderttausende oder Millionen Viren pro Milliliter Blut) „in die Höhe schießt“.
Die Viruslast im Sperma bzw. den genitalen Sekreten folgt der Entwicklung im Blut um 1,5 bis 2 Wochen verzögert.
Die Sympome der akuten Infektion sind Fieber, Abgeschlagenheit, Hautausschlag, Appetitverlust, Gliederschmerzen. Daher wird oft schon ein grippaler Infekt als akute HIV-Infektion fehlgedeutet. Bei der Kombination von Fieber und Hautausschlag beim Erwachsenen nach einem Risikokontakt sollte jedoch an eine HIV-Infektion gedacht werden und ein HIV-Test mit dem_der Ratsuchenden erörtert werden.
In der akuten Phase der Infektion wird das Immunsystem des Körpers bereits stark geschädigt. In den ersten zwei bis drei Wochen gehen im Darm (größtes Immunorgan des Körpers) massenhaft Immunzellen und vor allem das immunologische Gedächtnis (memory-Zellen) zugrunde.
Wenn Antikörper in messbarer Menge gebildet werden (meist zwischen Woche 3 und 6 nach Infektion, bei annähernd 100 % aller Infizierten spätestens nach 3 Monaten) hat der Körper dem Virus etwas entgegenzusetzen: die Viruslast im Blut geht wieder zurück und pendelt sich in der chronischen Phase auf Werte meist in einem Bereich zwischen 10.000 und 30.000 Viren pro Milliliter Blut ein.
Die chronische Infektion
Die chronische Phase der Infektion beginnt nach ca. 3 Monaten und dauert lebenslang an. Der Verlauf einer HIV-Infektion ist individuell verschieden und lässt sich nur begrenzt als eine festgelegte Abfolge beschreiben. Man unterscheidet zwischen der asymptomatischen Phase, der symptomatischen Phase und Aids.
Es treten keine Symptome auf. Diese Phase kann einige Monate oder Jahre andauern. Die in der akuten Phase stark reduzierten Helferzellen haben sich etwas erholt, erreichen aber nicht die Werte vor der Infektion.
Die Viruslast im Blut ist in dieser Zeit normalerweise moderat hoch, unterliegt aber Schwankungen: sie steigt an beim Vorliegen von anderen Infektionskrankheiten wie Grippe oder Syphilis. Entsprechend steigt in dieser Zeit die Infektiosität.
Auch wenn die Infizierten selbst nichts von der HIV-Infektion merken: das Virus vermehrt sich weiter und schädigt kontinuierlich das Immunsystem und innere Organe (Niere, Nerven, etc.). Die Zahl der Helferzellen nimmt kontinuierlich ab.
Im Mittel wird der Wert von 500 Helferzellen ein Jahr nach Infektion erreicht, der Wert von 350 Helferzellen nach 4 und der Wert von 200 Helferzellen nach 8 Jahren – manchmal jedoch deutlich früher, manchmal auch erst Jahre später.
Weniger als 1 % der Infizierten sind sog. „Elite-Controller“, ihr Immunsystem kann die HIV-Infektion so weit in Schach halten, dass sie über viele Jahre asymptomatisch bleiben und die Helferzellen nicht entscheidend abfallen.
Mit fortschreitender Schädigung des Immunsystems können Symptome auftreten. Diese sind meist allgemeiner Art, z. B. lang andauernde Lymphknotenschwellungen an verschiedenen Stellen gleichzeitig (unter den Achseln, in der Leistengegend), starker Nachtschweiß, lang anhaltende Durchfälle, Nervenschädigungen (Polyneuropathie) oder häufigere Infektionen wie z. B. Pilzinfektionen des Mundes, der Scheide oder des Penis.
Die Krankheitszeichen sind unspezifisch. Aus diesem Grund kann es sein, dass ein Arzt eine HIV-Infektion über die Symptome nicht erkennt und keine entsprechende Untersuchung (HIV- Test) empfiehlt.
Im letzten Stadium ist das Immunsystem stark beeinträchtigt, die Zahl der Helferzellen ist in der Regel unter 200/ μl gesunken und die Viruslast steigt an. Opportunistische Infektionskrankheiten (z. B. PneumocystisLungenentzündung, Pilzbefall der Speiseröhre) und Tumore (Kaposi-Sarkom, Gebärmutterhalskrebs, Lymphome) können sich entwickeln.
Im Mittel tritt das Stadium Aids bei einer unbehandelten HIV-Infektion nach 8 Jahren auf, manchmal allerdings schon wenige Monate nach der Infek- tion, manchmal erst nach ein bis zwei Jahrzehnten.
Infektiosität
Die Infektiosität ist dann hoch, wenn die Viruslast hoch ist, also v. a. in der akuten Phase der Infektion. Zusätzliche Infektionen, die den ganzen Körper betreffen (sog. Systemische Infektionen) wie Grippe, Malaria, Syphilis (ab 2. Stadium), Masern, aber auch Impfungen erhöhen kurzzeitig die HIV-Viruslast im Blut. Denn die Belastung des Immunsystems führt auch dazu, dass die Zahl der Immunzellen, die von HIV infiziert werden, erhöht wird. Bei erfolgreicher Behandlung (Viruslast stabil unter der Nachweisgrenze) tritt dieser Effekt nicht oder kaum mehr auf. (➞ dazu Kapitel 9 „Therapie“)