Darf eine Beziehungsperson einer Person mit HIV über deren Infektion informiert werden?

Dr. Jutta P. erfährt aus dem Anamnesegespräch mit ihrem Patienten Axel K., dass dieser seit wenigen Monaten von seiner HIV­-Infektion weiß, jedoch noch nicht seine Beziehungsper­son darüber in Kenntnis gesetzt hat. Er kündigt an, dies „demnächst“ tun zu wollen.

Dr. P. wirkt alarmiert. Axel K. befremdet das, denn er hat, um seine Intimsphäre zu schüt­zen, im Gespräch mit der Ärztin keine Aussage zu seinem Beziehungsleben und zu seinen se­xuellen Praktiken gemacht.

In der folgenden Woche erwartet ihn seine Be­ziehungsperson eines Abends zu Hause und fordert ihn auf, richtigzustellen, was sie durch einen Anruf von Frau P. erfahren hat: er sei HIV­-positiv.

Beschwerdestelle: Ärztekammer

Unterstützung: Aidshilfen, Kontaktstelle HIV-bezogene Diskriminierung der Deutschen Aidshilfe. Gegebenenfalls ist anwaltlicher Beistand sinnvoll.

Zu den Ausnahmen der ärztlichen Schweigepflicht nach § 203 StGB (→ s. Schweigepflicht) gehört ein „rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB“ (→ s. Schweigepflicht). Das heißt, es muss eine gegenwärtige Gefährdung zum Beispiel für Leib und Leben einer dritten Person bestehen, die sich ohne Bruch der Schweigepflicht nicht abwenden lässt.

Allein die Vermutung, dass HIV-positive Patient*innen mit Partner*innen sexuelle Kontakte haben, die von der Infektion nichts wissen, reicht unserer Einschätzung nach für die Begründung einer solchen konkreten Gefahr aber nicht aus.

Im Fallbeispiel wäre es ja durchaus möglich, dass Axel K. mit seiner Beziehungsperson keinen Sex hat oder dass nur geschützter Sex stattfindet.

Gegen ein „Outing“ ohne Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands wie in diesem Fallbeispiel kann man in jedem Fall zivilrechtlich vorgehen und Schadensersatzansprüche geltend machen.