Fallbeispiel 3
Dürfen Ärzt*innen mir „Randtermine“ mit Hinweis auf erforderliche „besondere Hygienemaßnahmen“ geben?
Yvonne D. ist in ihrer Stadt sehr bekannt. Sie geht schon seit Jahren offen mit ihrer HIV-Infektion um, organisiert in der örtlichen Aidshilfe das Frauenfrühstück mit und wird immer wieder auch von der Lokalzeitung zitiert, wenn irgendeine Nachricht rund um HIV und Aids kommentiert werden soll.
Mit den Ärzt*innen, die sie braucht, hatte sie schon lan ge keine Probleme mehr. Jetzt ist aber ihre langjährige Zahnärztin in den Ruhestand gegangen. Da ihr regelmäßiger Kontrolltermin ansteht, will sie sich gleich ein mal die Nachfolgerin ansehen, die die Praxis übernommen hat.
Als sie am Telefon einen Termin vereinbaren will, druckst die Angestellte herum. Sie habe in den ganzen nächsten Wochen immer nur am späten Abend Termine frei, den letzten Termin am Tag. Das kommt Yvonne D. seltsam vor – bisher hat sie fast immer Termine in ihrer Mittagspause verabreden können.
Auf Yvonnes Nachfrage rückt die Angestellte dann da mit heraus: Die neue Ärztin habe gesagt, dass das Behandlungszimmer und die Geräte nach einer Behand lung von Patient*innen mit HIV besonders intensiv desinfiziert werden müssten. Da man anschließend für einige Zeit keine anderen Patient*innen behandeln könne, seien für Patient*innen mit HIV nur solche „Randtermine“ möglich.
Yvonne D. ärgert sich über diese falsche Aussage, vereinbart aber trotzdem einen späten Termin. Dann wird sie die Ärztin ansprechen – und ihr die Broschüre „Keine Angst vor HIV, HBV und HCV! Informationen für das zahnärztliche Behandlungsteam“ von der Deutschen Aidshilfe und der Bundeszahnärztekammer mitbringen.
Beschwerdestellen: Zahnärztekammer, Krankenkasse unterstützung: Aidshilfen, Kontaktstelle HIV-bezogene Diskriminierung der Deutschen Aidshilfe
Viele Menschen wissen nicht von ihren Infektionserkrankungen oder teilen sie zum Beispiel aufgrund negativer Erfahrungen den behandelnden Zahnärzt*innen bzw. dem Praxisteam nicht mit. Eine Mitteilungspflicht gibt es nicht.
Alle Patient*innen und Patienten sind daher so zu behandeln, als ob sie infektiös wären. Im Hygieneplan der Praxis müssen Regelungen getroffen werden, um Beschäftigte und Behandelte gleichermaßen vor Infektionen zu schützen.
ZudenStandardmaßnahmengehören:
- Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung aus Einmalhandschuhen, Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrille/Schutzschild und ggf. Schutzkittel, wenn die Gefahr des Verspritzens von Flüssigkeiten besteht
- sachgerechte Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation aller bei der Behandlung benutzten Medizinprodukte (Instrumente) gemäß ihrer Einstufung in Risikoklassen (RKI-Empfehlung, Hygieneplan)
- Desinfektion der patient*innennahen Flächen nach der Behandlung
- sicherer Abwurf von gebrauchten Spritzen und Skalpellen
- Entsorgung kontaminierter Abfälle wie z. B. Tupfer, OP-Abdeckungen, Watterollen o. Ä. über den Hausmüll.
Nichtnötigunddeshalbdiskriminierendsinddagegen Maßnahmen wie die folgenden:
- Behandlung nur am Ende der Sprechzeit oder des Sprechtages
- Behandlung in einem eigenen Behandlungsraum
- Tragen von zwei Paar Handschuhen bei Routineeingriffen
- Desinfektion aller Flächen im Behandlungs- oder Wartezimmer einschließlich des Fußbodens mit anschließendem Betretungsverbot
- gesonderte Aufbereitung der verwendeten Instrumente.
Wenn dir in einer Praxis oder Klinik wegen deiner HIV- Infektion nur der letzte Termin am Tag gegeben wird, weil anschließend „extra gereinigt“ werden müsse, oder die Behandlung verwehrt oder abgebrochen wird, weil man „nicht auf HIV-positive Patient*innen vorbereitet“ sei oder Mitarbeiter*innen „geschützt“ oder „erst geschult“ werden müssten, weise auf die Hygienevorschriften hin, die eine benachteiligende Sonderbehandlung nicht decken. Sollte dieser Hinweis nicht zur Einsicht führen, ist eine Beschwerde vor der Landesärzte- oder Landeszahnärztekammer sinnvoll. Die Aidshilfen und die Kontaktstelle HIV-bezogene Diskriminierung der Deutschen Aidshilfe unterstützen dich gerne dabei (→ Adressen, s. Nützliche Adressen.).
Überlegen könnte man auch, Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz oder Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend zu machen und eventuell eine Klage einzureichen (→ s. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Der Anspruch muss innerhalb von zwei Monaten nach dem Vorfall schriftlich geltend gemacht werden – lass dich beraten (→ s. Nützliche Adressen).